Innehalten, Aushalten, Durchhalten – Ökumenischer Gedenkgottesdienst in Blessem zum Jahrestag der Flutkatastrophe

Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 wird wohl niemand in Erftstadt je vergessen. Warum es wichtig ist, der Erinnerung Raum und einen Rahmen zu geben, war beim ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Kirche St. Michael in Erftstadt-Blessem, der musikalisch vom Chor „Neue Wege“ aus dem Seelsorgebereich Rotbach-Erftaue gestaltet wurde, deutlich zu spüren. In seiner Begrüßung erinnerte Pfarrer Livic Balascuti nicht nur an die 180 Todesopfer und alle Betroffenen, von denen viele noch immer mit den Folgen kämpfen, sondern dankte auch den zahllosen Helferinnen und Helfern. Von diesem Gedenktag solle ein „Signal der Hoffnung“ ausgehen. Man wolle „mit positivem Blick und Energie in die Zukunft sehen“.

Familie und Freunde helfen durchzuhalten

Anschließend kamen stellvertretend drei Betroffene zu Wort: Eine Frau berichtete, dass Familie und Freunde ihr geholfen hätten durchzuhalten. Nachbarn und Freunde waren da und packten an. Kraft gegeben hätten ihr der Satz „Ich kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand“, aber auch das Lied „Hey“ von Andreas Bourani. Eine weitere Frau, in der ehrenamtlichen Hochwasserhilfe tätig, stellte fest, dass Frauen oft der erste Anlaufpunkt seien und bei ihnen ein großer Teil der emotionalen und organisatorischen Last zusammenlaufe. Kraft und Zuversicht der Menschen seien bewundernswert. Eine Mitarbeiterin des Caritas-Verbandes erklärte, dieses Leid sei nicht tröstbar. Das Ziel müsse sein, gemeinsam deutlich zu machen, dass niemand alleine bleibt. Sie äußerte ihre Sorge um die Kinder, die mit den traumatischen Erlebnissen der Flutnacht zurechtkommen müssten. Umso wichtiger sei es, eine Sprache für die seelischen Vorgänge zu finden.

Ängste und Nöte vor Gott bringen

Nach diesen sehr persönlichen Erfahrungsberichten hatten die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher die Gelegenheit, beim stillen Aufstellen einer Kerze das vor Gott zu bringen, was sie bewegt.

Wenn die eigenen Worte nicht reichten, haben seit Jahrhunderten die Psalmen Menschen geholfen, ihre Not und Verzweiflung vor Gott zu bringen. Wie anders klang es angesichts zerstörter Häuser, Betriebe und Infrastruktur, wenn im Lesungstext aus Psalm 71 von Gott als einer „festen Burg“ die Rede war!

Viele Fragen sind noch offen

In ihrer kurzen Ansprache beschrieb Pfarrerin Andrea Döhrer, wie nun ihr Blick auf die Erft ein anderer sei und dass jeder Hubschrauber, jedes Feuerwehrfahrzeug ungute Gefühle in ihr auslöse. Doch neben der kollektiven Verunsicherung sei da „viel Hoffnung im Raum“. Döhrer betonte, dass die Betroffenen auch der Wut Raum geben dürften, vor allem angesichts eines erneuten Starkregenereignisses am 24. Juni dieses Jahres, das wieder Schäden verursachte und gerade Aufgebautes wieder zunichtemachte. Sind die Kanäle gereinigt und überprüft worden? Warum ist noch immer nicht in bessere Warnsysteme investiert worden? Fragen, auf die die Antworten ausstünden. Und so schwankt ein Jahr nach der Katastrophe die Gemütslage der Betroffenen „zwischen Resignation und Dankbarkeit“, Resignation wegen all der noch offenen Fragen und dem, was noch an Wiederaufbau zu leisten ist, und Dankbarkeit über die Helferinnen und Helfer sowie das, was schon geschafft ist. Was in dieser Situation Halt gebe, sei Gottes Zusage: „Du bist nicht allein!“

Nach dem Gottesdienst standen vor der Kirche kühle Getränke und Knabbereien bereit. Zum Austausch waren besonders alle eingeladen, die mit ihren Gedanken und Gefühlen nach dem Gottesdienst nicht alleine bleiben wollten.

Info

Mobile Hochwasserhilfe
Andrea Schnackertz
Telefon 0163 711 75 93
andrea.schnackertz@diakonie-koeln.de

www.diakonie-koeln.de

 

 

Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke

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Archivale Juli: Ein unerwarteter Fund

Bei Aufräumarbeiten im Magazin stößt man manchmal auf Unerwartetes. So entdeckte Stefanie Sternemann einen kleinen schmalen, blaufarbigen Einband ohne Titel. Im Inneren befindet sich ein gefalteter Druck übertitelt mit „Abbildung des denkwürdigen Festaufzuges zu Leipzig am Gedächtnistag der Reformation den 31.October im Jahr 1830“. Es ist eine Miniaturdarstellung des Rollbildes vom Illustrator und Kupferstecher Christian Gottfried Heinrich Geißler (1770-1844), welches den Festzug darstellt, der in Erinnerung an das Augsburger Bekenntnis 1530, in Leipzig im Jahr 1830 unter reger Beteiligung des Militärs, der Geistlichkeit, der Handwerkszünfte und Vertretern der Universitäten und Schulen durchgeführt wurde.

1830 fand das 300. Jubiläum der confessio augustana statt, die Philipp Melanchton auf dem Reichstag zu Augsburg Kaiser Karl V. übergab. Die Schrift unterteilt sich in 28 Artikel, die sich im ersten Teil mit den Hauptartikeln des Glaubens und der Lehre und im zweiten Teil kritisch mit den Regelungen in der Kirche auseinandersetzen. Kaiser Karl V. ließ das Augsburger Bekenntnis durch Johannes Eck widerlegen und bestätigte das Wormser Edikt. Nichtsdestotrotz übernahmen verschiedene Fürsten die Schrift für sich und ihr Fürstentum und bildeten den Schmalkaldischen Bund unter der Führung von Hessen und Kursachsen.

Festzug zum 300. Jubiläum in 32 kolorierten Radierungen

Das Rollbild von Christian Geißler hält den Festzug zum 300. Jubiläum in 32 kolorierten Radierungen fest, die zusammen eine über 18 Meter lange Papierbahn ergeben. Die vorliegende Darstellung des Kupferstichs hingegen misst die Maße 50×39 cm. Unter den Bildern findet sich eine handschriftliche Erklärung zum dargestellten Zug. Sie beginnt oben links, wobei die Erläuterungen nicht auf jedes Bild eingehen. Die Reihenfolge der Mitglieder des Zuges lässt sich bei näherer Betrachtung auch durch die Blickrichtungen der dargestellten Personen und Fahnen erkennen. Die verschiedenen teilnehmenden Gruppen lassen sich anhand ihrer Kleidung und Fahnen identifizieren. Als Hilfestellung verfügt jedes Bild über eine im Original handschriftliche Benennung der gezeigten Gruppe als Beispiel die Gruppe der Zöglinge in langen blauen Mänteln und weißen Hosen sowie einer Kopfbedeckung.

Vermutlich erhielt die evangelische Gemeinde Köln dieses Werk als Geschenk und so gelangte er ins Archiv des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Hier wird der historische Altbestand der evangelischen Gemeinde Köln aufbewahrt.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

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Allerhand Alltagsgeschichten über Wurzeln im Alltag

Der Sommer laugt wieder Wiesen, Bäume und Felder aus. Auch die Menschen fühlen sich manchmal so, eben erschöpft und müde – und spüren das Bedürfnis nach Ruhe und danach, die Batterien wieder auftanken zu wollen. „Im Laufe der Zeit merke ich, dass ich innerlich irgendwie ausgedörrt werde, ausgetrocknet bin“, erzählt auch Pfarrerin Dagmar Schwirschke. Dann wird es Zeit, sich eine Auszeit zu nehmen. In Allerhand Alltagsgeschichten berichtet sie in Gebärdensprache von einer Parkanlage in ihrem Urlaubsland Italien – und sie erinnert sich an eine besondere Entdeckung, die sie dort in einer Felsspalte gemacht hat.

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Hier der gesamte Beitrag zum Nachlesen:

Hallo und herzlich Willkommen bei ALLERHAND Alltagsgeschichten!

Dieses Jahr haben ganz viele Menschen gesagt: Ach Du Meine Güte, ist das ein heißer Sommer! Bei uns in Deutschland ist es sehr heiß, aber auch in anderen Ländern. Eigentlich überall ist es so heiß. Ich selbst war dieses Jahr in Italien im Urlaub und da war es genau dasselbe, auch da war es heiß. Und deswegen fand ich es sehr schön, dass es in Italien viele Parkanlagen gibt. Die habe ich dann besucht, weil es dort eben angenehm kühl ist. Oft gibt es in diesen Parkanlagen auch alte Steinmauern, und an einem Tag bin ich an solch einer Mauer vorbeigegangen. Und zunächst war sie wie alle Mauern sind: kahl und trocken und aus Stein.

Und plötzlich war ich total fasziniert, weil in einer kleinen Felsspalte innerhalb der Mauer blühte ein ganz kleines grünes Pflänzchen. Und ich fand das so schön, so klein und hübsch, dass ich ein Foto davon gemacht habe. Und ich habe das auch mitgebracht. Und Sie können das hier sehen. Man nennt diese Pflanze Zimbelkraut. Oder es gibt noch einen anderen Namen dafür, der vielleicht bekannter ist: das Mauerblümchen. Diese Pflanze ist wirklich sehr bescheiden, völlig anspruchslos und braucht überhaupt nicht viel, um wachsen zu können. Nur eben eine kleine Felsspalte, und innerhalb der Felsspalte etwas Wasser.

Hitze, Sonne, Trockenheit kann ihr überhaupt nichts anhaben, das kann sie sehr gut aushalten und vertragen. Für mich persönlich ist es eine besondere Pflanze, sie kann Sonne vertragen, sie kann Hitze vertragen, sie kann Trockenheit aushalten. Es ist nur wichtig, dass sie gut wurzelt. So bin ich dieses Jahr in Italien oft in diesem Park gewesen und habe mir dieses Blümchen angeguckt. Und ja, ich muss ehrlich sagen, ich habe von dieser Pflanze auch gelernt.

Denn in meinem Alltag erlebe ich es manchmal so, dass es auch anstrengend ist, dass ich viel zu tun habe, dass es Stresssituationen gibt, dass es viel Arbeit gibt. Und so im Laufe der Zeit merke ich, dass ich innerlich irgendwie ausgedörrt werde, ausgetrocknet bin. Und dann zeigt mir dieses Pflänzlein: Ja, es ist eben sehr wichtig, dass man gut wurzelt. Dass man gute Wurzeln hat. Und ich verstehe das für mich so, dass es eben wichtig ist, dass man in sich selbst eine tiefe Sicherheit spürt. Ein tiefes Vertrauen, dass man gut verwurzelt und eben nicht alleine ist. Und dann, wenn ich dieses Gefühl von Sicherheit und Vertrauen habe, dann finde ich auch Ruhe in mir und kann auch wieder mehr aushalten. Und so wünsche ich euch, dass auch ihr diese tiefe Sicherheit und dieses tiefe Vertrauen in euch spüren könnt, nicht alleine zu sein. Für mich ist dieses Pflänzchen ein sehr schönes Bild für meinen Alltag.

Tschüss, bis zum nächsten Mal!

Text: APK
Foto(s): APK

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Telefonseelsorge befürwortet gesetzliche Regelung für Suizidprävention

Die TelefonSeelsorge Deutschland (TSD) positioniert sich im Rahmen ihrer Jahresversammlung klar für ein gesetzlich verankertes Maßnahmenpaket zur Suizidprävention. Nötig sei es aber auch, bereits bestehende Angebote und das vorhandene Wissen der für das Thema engagierten Organisationen zu bündeln.

„TelefonSeelsorge ist seit rund 70 Jahren mit Suizidprävention befasst. Selbsttötungen zu verhindern ist ein wesentlicher Grund, warum es uns gibt“, erklärt Pfarrer Frank Ertel, Vorsitzender der TSD und Leiter der TelefonSeelsorge in Aachen. „Es ist höchste Zeit, diesem Thema politische Aufmerksamkeit zu widmen und gesetzlich verankerte Rahmenbedingungen zu geben. Wir unterstützen von daher die Forderungen des nationalen Suizidpräventionsprogramms (Naspro) und weiterer Organisationen nach einer umfassenden und einheitlichen Regelung und einer nationalen Koordinierung.“

„Die TelefonSeelsorge ist deutschlandweit rund um die Uhr kostenfrei erreichbar. Zudem sind Gespräche mit uns völlig anonym. Gerade für Menschen in suizidalen Krisen stellen wir damit eine wichtige mögliche Anlaufstelle dar. Zu unserem Selbstverständnis gehört es, da zu sein, auch wenn sonst niemand mehr da ist, und auch das mit auszuhalten, was ganz unerträglich scheint“, sagt Pfarrerin Dorit Felsch, Leiterin der Telefonseelsorge Köln. „Immer wieder dürfen wir dann auch erleben, dass in solchen Gesprächen ein Kontakt gelingt, der es der anrufenden Person ermöglicht, dem Weiterleben noch eine Chance zu geben.“

9.206 Menschen sind 2020 laut statistischem Bundesamt in Deutschland an Suizid gestorben. Damit übersteigt ihre Zahl deutlich die Zahl der durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und AIDS zu Tode Gekommenen. Schätzungen der Naspro gehen von weit über 100.000 Suizidversuchen aus.

Die TelefonSeelsorge verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung von Menschen in suizidalen Krisen. Der Umgang mit diesem Thema ist wesentlicher Bestandteil der Ausbildung für die Arbeit am Telefon. Neben dem rund um die Uhr besetzten Telefon bietet die TelefonSeelsorge Krisenberatung seit über 25 Jahren auch online (per Mail und Chat) an. An über 20 Standorten gibt es auch Angebote für eine Beratung vor Ort.

Eine bessere Aufklärung und Koordination aller existierenden Angebote

Suizidgefährdete oder vom Suizid Angehöriger Betroffene finden außerdem Hilfestellungen zum Umgang mit diesem Thema in der von der TelefonSeelsorge entwickelten App „KrisenKompass.“

„Zugleich muss klar sein, dass unser Angebot begrenzt ist. Um Suizidalität umfassend einzudämmen, bedarf es vieler weiterer Maßnahmen“, betont Pfarrerin Gunhild Vestner, stellvertretende Vorsitzende von TSD und Stellenleiterin der TelefonSeelsorge in Recklinghausen. „Dazu gehört die Koordination aller existierenden Angebote, aber auch eine bessere Aufklärung über Suizidalität bereits in der Schule.“

Die Stärke von TelefonSeelsorge liege in der Niederschwelligkeit ihres Angebots, der 24-stündigen Erreichbarkeit und der Anonymität. Menschen, die einsam oder psychisch krank sind, nutzten TelefonSeelsorge als Anlaufstelle. Sie seien häufig latent suizidal und erlebten im Gespräch mit TelefonSeelsorge Verständnis und Zugewandtheit. Dazu sagt Diplom-Theologe Michael Hillenkamp, Vorsitzender von TSD: „Wir hoffen auf einen Schub für das Thema, der zu materiellen Verbesserungen und zum Ausbau der bestehenden Suizidpräventionsmaßnahmen führt – und damit zur weiteren Verringerung von Suiziden und Suizidversuchen. In den dafür nötigen Prozess bringen wir unsere Expertise gern ein.“

Hintergrundinformation

Mit mehr als 7.700 geschulten Ehrenamtlichen in 104 Städten oder Regionen ist die TelefonSeelsorge deutschlandweit tätig. Um möglichst vielen Menschen den Zugang zu ermöglichen, stehen Mitarbeitende ganzjährig rund um die Uhr am Telefon zur Verfügung. Die TelefonSeelsorge berät Menschen jeder Nationalität, jedes Geschlechts, jeder Konfession und jedes Alters. Sie verpflichtet sich zu weltanschaulicher Neutralität. Alle Beratungsangebote, auch die Vorort-Beratung, sind anonym und kostenfrei. Seit 1995 bietet TelefonSeelsorge auch Online-Beratung, zunächst per Mail, inzwischen zusätzlich auch per Chat an. Sie wird von rund zwei Drittel der Dienststellen zusätzlich zum rund um die Uhr erreichbaren Telefondienst angeboten. An insgesamt 25 Standorten gibt es auch Beratung vor Ort. Da es hier auch zu einem längerfristigen Beratungssetting kommen kann, arbeiten in der Vor-Ort-Beratung überwiegend hauptamtliche Kräfte mit einschlägiger beruflicher Ausbildung.

2021 wurden 989.160 telefonische und 47.442 persönliche Beratungsgespräche geführt. Es wurden 43.635 Mails geschrieben und es wurde 32.023 mal gechattet. Dank der Unterstützung der Deutschen Telekom sind die Telefonnummern 0800/1110111 und 0800/1110222 seit 1997 gebührenfrei.

Text: Caroline Michaelis / APK
Foto(s): APK

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„Die Angst ist noch präsent“ – Andrea Schnackertz vom Diakonischen Werk zur Unwetterkatastrophe 2021 auf der Kölner Kirchenbank

Unwetter und Hochwasser haben vor einem Jahr die Menschen in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen in große Not gebracht: Häuser wurden weggespült, Flüsse sind über die Ufer getreten, Menschen sind gestorben, Keller sind vollgelaufen, viele Menschen haben ihr Hab und Gut verloren. Ihnen konnte aber auch von unterschiedlichen Stellen geholfen werden. Auf der Kölner Kirchenbank spricht Sammy Wintersohl mit Andrea Schnackertz. Sie arbeitet beim Diakonischen Werk Köln und Region und begleitet Betroffene in den Kölner Gebieten.

Sie sagt: „Es gibt Menschen, die über Versicherungsleistungen schon wieder in ihren Häusern sein können oder auch nicht wirklich ausziehen mussten bis hin zu Menschen, die immer noch nicht wissen, ob sie zurück können in ihre Häuser, in ihre Wohnungen.“ Viele Menschen brauchten auch heute, ein Jahr nach der Katastrophe, noch Unterstützung, weil sie weder finanziell wieder hergestellt sind, noch psychisch. „Dazu ist auch wichtig zu sagen, dass die Angst vieler Menschen sehr präsent ist und vor allen Dingen dann, wenn es wieder regnet.“

Die Situation sei bei vielen Menschen immer noch sehr belastend, „weil sich vieles eben noch nicht klären ließ – zum Teil Versicherungen auch noch nicht bezahlt haben, oder auch noch keine Beträge sagen – und in der Folge kann man keine Anträge beim Land stellen und man kann auch nicht sagen, welche Spenden man noch benötigt und das bedeutet, dass die Menschen oft am Rande ihrer Kräfte sind.“

Andrea Schnackertz macht „Tür-zu-Tür-Gespräche“, das heißt, sie klopft als Diakonie-Mitarbeiterin mit ihren Infomaterialien an die Türen der Menschen in den betroffenen Gebieten und bietet Hilfe in Form von zum Beispiel Beratungsgesprächen an. Auch über das Spendenportal erhält sie Kontakte zu Menschen, die einen Antrag gestellt haben. Kirchengemeinden vermitteln bei Bedarf ebenfalls Kontakte. Die Gespräche bedeuten, dass „die Erinnerung wieder da ist, dass der ,Feind Wasser‘, wie es mal jemand beschrieben hat, wieder sehr präsent wird und es sehr persönlich wird. Die Bereitschaft weiter darüber zu reden, ist ja unterschiedlich. Leute gehen wie immer unterschiedlich mit Trauer um. Manche sagen, ja, ich weiß, ich sollte darüber reden, vielleicht einen Therapeuten aufsuchen. Die Stellen sind allerdings im Moment ziemlich selten zu bekommen.“

Die gelernte Sozialarbeiterin bemängelt jedoch, „dass es doch relativ viele Hilfsangebote gibt, aber wenn die Betroffenen nichts davon wissen, dann kann man ihnen auch nicht helfen. Deswegen ist es so wichtig, von Tür zu Tür zu gehen und den Leuten mitzuteilen, dass es die Hilfen gibt.“ Denn: „Wir haben Erkenntnisse aus dem Oderhochwasser 2013, und die Kolleginnen und Kollegen haben gesagt, dass es Jahre dauert, bis Menschen wieder ein normales Leben nach der Flut führen können.“

Mehr Informationen unter www.diakonie-koeln.de

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Text: APK
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Kirche2go fragt: Was sind die zehn Gebote?

Kirche2go fragt: Was sind die zehn Gebote? Kirche2go erklärt die zehn Gebote, woher sie kommen und was sie beinhalten. Nach der biblischen Überlieferung hat Gott die zehn Gebote auf dem Berg Sinai einem Mann mit Namen Mose übergeben. Warum sie so wichtig sind, erfahren Sie in dieser Kirche2go-Folge.

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Der gesamte Text zum Nachlesen

Was sind die zehn Gebote? Nach der biblischen Überlieferung hat Gott die zehn Gebote auf dem Berg Sinai einem Mann mit Namen Mose übergeben. Mose war der Anführer des Volkes Israel. Die zehn Gebote werden im ersten Testament der Bibel überliefert. Die Gebote regeln die Haltung des Menschen gegenüber Gott und den Mitmenschen. Und so lauten die zehn Gebote:

Das erste Gebot: Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Das zweite Gebot: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.
Das dritte Gebot: Du sollst den Feiertag heiligen.
Das vierte Gebot: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
Das fünfte Gebot: Du sollst nicht töten.
Das sechste Gebot: Du sollst nicht ehebrechen.
Das siebte Gebot: Du sollst nicht stehlen.
Das achte Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
Das neunte Gebot: Du sollst nicht begehren deines nächsten Haus.
Das zehnte Gebot: Du sollst nicht begehren deines nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.

Die zehn Gebote werden im Judentum und den christlichen Kirchen unterschiedlich gezählt. Diese Zählung folgt der Tradition der lutherischen und der römisch-katholischen Kirche.

Text: APK
Foto(s): APK

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„Ich muss doch weitermachen“ – Seit der Flut kämpft die Blessemerin Brigitte Altengarten um die Zukunft ihrer Familie

Das terrakottafarbene Farbfeld an der Wand und die Reihe Grünpflanzen auf der Fensterbank erinnern daran, dass das hier einmal das gemütliche Zuhause von Familie Altengarten war. Bis am 14. Juli 2021 die Flut in den Blessemer Eschenweg kam. Dass sie dabei dieses Zuhause für immer verloren haben – darüber hat die Familie erst seit wenigen Monaten Gewissheit. Seit der Flutnacht kämpft Brigitte Altengarten um die Existenz und Zukunft ihrer Familie. Unterstützt wird die Katholikin dabei von der mobilen Hochwasserhilfe der Diakonie Köln und Region in Person von Andrea Schnackertz und von Pfarrerin Friederike Schädlich aus Lechenich.

„Wir haben ja noch Glück gehabt“, sagt Brigitte Altengarten. „Niemand von uns ist tot.“ In der Flutnacht saß sie spät noch mit ihrer Tochter Lea, die als Studentin im Keller ihr Reich hatte, vor dem Fernseher im Wohnzimmer. Was sich an Ahr und Erft, Rhein und Sieg abspielte nach dem stundenlangen Starkregen an diesem Mittwoch – damit hatte niemand gerechnet. Das kannte man ja nur von Nachrichtenbildern vom anderen Ende der Welt. Und auch wenn der Fluss nur etwas mehr als hundert Meter Luftlinie entfernt ist, konnte die Familie, bei aller Besorgnis, nicht damit rechnen, was dann geschehen würde.

„Gegen halb elf hat uns unser Nachbar rausgeklingelt und geschrien ,Die Erft kommt’ “, erzählt Altengarten. Sie hört das Rauschen des Flusses, der mit wahnsinniger Geschwindigkeit in die sonst so ruhige Straße donnert. Als Erstes bringen die Altengartens die zwei Katzen und zwei Hunde ins obere Stockwerk, dann retten sie noch schnell ein paar Sachen, nehmen etwas zu trinken und zu essen mit hoch. Das Wasser füllt rasch den Keller und reicht binnem kurzem rund einen Meter hoch im Wohnzimmer. Die Kraft der Fluten überrascht die Familie. An ein Rauskommen ist nicht zu denken – wohin auch.

„Ich habe mich gefühlt wie im Krieg“

12 Sunden muss die Familie im oberen Stockwerk ausharren. Es gibt keine Informationen. Keine Retter. „Einmal ist ein Feuerwehrauto in die Straße gefahren“, sagt Brigitte Altengarten. Doch Antworten auf ihr Rufen, ihre Fragen gibt es nicht. „Die sind einfach wieder gefahren“, ist sie bis heute fassungslos.

Der Freund ihrer älteren Tochter Lea hat einen schweren Unimog. Er kommt schließlich durch zur Familie Altengarten, evakuiert sie, ihre Tiere und auch noch Nachbarn. „Das war gespenstisch“, sagt Altengarten. „Wir mussten hinten auf der Ladefläche sitzen, dazu die Tiere im Käfig. Ich habe mich gefühlt wie im Krieg.“

Aber sie sind sicher: Wenn das Wasser abfließt, kommen wir zurück und bauen wieder auf. Am nächsten Tag jedoch bricht die Blessemer Kiesgrube stellenweise ein. Zehn Tage lang darf niemand in das betroffene Gebiet und dann nur einmal ganz kurz, eine Person pro Haus, um Papiere oder anderes Notwendiges zu holen.

Während Familie Altengarten bei Brigitte Altengartens Bruder in Kerpen unterkommt, dürfen Bewohner anderer Erftstädter Ortsteile und auch Blessemer zurück nach Hause. Für manche beginnt recht schnell wieder das fast normale Leben. „Das war absurd, wenn wir dann hier durch die Straßen gefahren sind, und es saßen schon wieder Leute im Eiscafé.“

Heizöl kontaminiert das ganze Haus

Für sie selbst gibt es keine Rückkehr: der mit 8000 Litern frisch befüllte Heizöltank ist von den Wassermassen umgerissen worden, die Flut hat sich mit dem Öl vermischt. Überall im Haus hat sich der penetrante Ölgeruch verbreitet und festgesetzt. Und nicht nur das: Tief dringt das Gemisch in den Stein ein und kontaminiert ihn, noch heute gibt es im Keller eine Stelle mit einem Loch in der Wand, hinter dem man noch ins Öl fasst.

Dunkle Stellen im Mauerwerk zeigen auch von außen, wie durchfeuchtet der Stein ist. Die Erft hat im Haus hohe Wellen geschlagen und das Öl dabei überall verteilt. In vielen Sachen hat sich der Ölgeruch so festgesetzt, dass sie nicht mehr zu gebrauchen sind. Aus dem Untergeschoss und dem Keller war ohnehin nichts mehr zu retten.

„Wie in einem Teufelskreis“

Altengartens entkernen das Haus, gemeinsam mit vielen Helfern, deren Namen und Handynummern noch immer an der Wohnzimmerwand stehen. Nur so lässt sich feststellen, wie groß die Schäden sind. Monatelang stellt sich die Frage: Kann das gerade erst abbezahlte Haus saniert werden oder muss es abgerissen werden? Komplizierter wird alles, weil es eine Doppelhaushälfte ist – und die beiden Häuser eine gemeinsame Bodenplatte haben.

Das erste Gutachten besagt, dass das Haus saniert werden kann – ein Fehlschluss, wie sich nach weiteren Untersuchungen und einem Gutachten durch einen Chemiker herausstellt. Für die Familie ist das fatal. „Wir bekommen zwar Gelder für eine Sanierung bewilligt“, erzählt Brigitte Altengarten, doch die werden bei weitem nicht für den Abriss und Neubau reichen. Und eine Korrektur des ersten Bescheides ist nicht möglich, erklärt ihr die zuständige Stelle beim Bauministerium Land NRW Wiederaufbau. Familie Altengarten wird auf vielen Kosten sitzen bleiben.

Brigitte Altengarten ist sicher: „Hätten wir früher in unser Haus zurückgekonnt und das Wasser schon abpumpen können – wir hätten es retten können.“ Nun fühlt sie sich wie in einem Teufelskreis. Einen Kredit, um notwendige Ausgaben decken zu können, bekommt das Ehepaar Altengarten nicht – „zu alt, zu wenig Einkommen, das Grundstück ist nichts mehr wert“ lauten die Begründungen der Banken. Eine Elementarversicherung hatten sie nie und bekommen sie nach wie vor nicht – „Sie wohnen zu nah an der Erft“, heißt es. Die Gründe dafür, warum der Fluss so in das Leben der Blessemer Menschen eindringen konnte und warum die Kiesgrube teilweise eingestürzt ist, spielen dabei keine Rolle.

Mit der Notwendigkeit zum Abriss trägt die Familie das volle Risiko. Denn sollte dabei das Nachbarhaus beschädigt werden, das der Besitzer trotz eigener Schäden nicht abreißen will – was das Einfachste wäre, zumal es auch unterspült wurde – müsste die Familie für die Schäden aufkommen. Hinzu kommt, dass durch die aktuellen Krisen und die Inflation Materialmangel herrscht und Handwerkerpreise unkalkulierbar steigen.

Weitere Schicksalsschläge

Schon jetzt weiß Familie Altengarten kaum, wie sie die weiteren Lebenshaltungskosten bestreiten soll – die Miete in der Ausweichwohnung wird zum kommenden Jahr erhöht, alle Kosten steigen. Und nun kam noch die Hiobsbotschaft dazu, dass der Betrieb, in dem Brigitte Altengartens Mann Ernst Becker-Altengarten seit mehr als 40 Jahren arbeitet, in die Insolvenz geht und er mit 59 Jahren bald arbeitslos ist.

Die unzähligen Telefonate und Behördengänge, das Einarbeiten in die Rechtslage, den Antrag auf Wiederaufbauhilfe stellen, der Umgang mit Versicherung und Gutachtern – all das übernimmt Brigitte Altengarten. „Mittlerweile könnte ich ein Buch schreiben“, sagt die bald 58-Jährige. Andrea Schnackertz hat sie dabei unterstützt, beim Ausfüllen der Anträge für Fördermittel etwa oder mit Haushaltsbeihilfen der Diakonie.

Neben dem Schock und der Bürokratie galt es, eine Übergangswohnung zu finden. Die Familie bleibt erst einmal in Kerpen – doch das bedeutet auch mehrmals täglich hin und her zu fahren, wegen des Hauses genauso wie wegen der noch schulpflichtigen jüngeren Tochter Lucy, die nach den Sommerferien die 12. Klasse des Gymnasiums in Lechenich besuchen wird. Und es bedeutet auch, von mancherlei Hilfe abgeschnitten zu sein. „Von mancher Spendenausgabe habe ich gar nichts erfahren. Niemand hat mich informiert“, ist Brigitte Altengarten, die sich Jahrzehnte in der katholischen Gemeinde St. Michael engagiert hat, enttäuscht. Als es Kleidung gab, Matratzen, Waschmaschinen oder anderes, wusste sie nichts davon und ging leer aus. „In so einer Situation lernt man das wahre Gesicht der Menschen kennen.“

Aufgeben kommt nicht in Frage

Brigitte Altengarten erzählt ihre Geschichte ruhig und sachlich, auch wenn bisweilen Trauer, Enttäuschung und auch eine Spur Bitterkeit zu spüren sind. Sehnt sie sich nicht manchmal danach einfach aufzugeben und alles hinter sich zu lassen? „Das geht nicht“, sagt sie, „das Haus sollte ja auch mal für die Zukunft unserer Kinder sorgen.“ Und sie ist vor allem nicht der Typ Frau, die aufgibt.

Außerdem ist da auch viel Dankbarkeit – für die Helfer, mit denen sie bis heute in Kontakt steht. „Die sagen: Wenn was ist, kommen wir wieder“, erzählt sie. Dankbar ist sie auch für die Unterstützung durch Pfarrerin Friederike Schädlich und Fluthelferin Andrea Schnackertz. „Die Pfarrerin hat sich immer wieder nach uns erkundigt und kommt immer noch vorbei, um zu fragen , wie es uns geht.“ Schnackertz hat sie in der ganzen Zeit mit wertvollem Rat unterstützt und ihr immer wieder Mut gemacht. Kürzlich erst war sie auch mit einer Delegation der Diakonie im Haus, um jede Hilfsmöglichkeit zu mobilisieren. „Die haben gesagt, sie vergessen uns nicht“, freut sich Brigitte Altengarten. „Und sie haben versprochen, uns beim Wiederaufbau zu helfen.“

Seelsorgerinnen und Seelsorger leisten Beistand

Neben Andrea Schnackertz ist auch Pfarrerin Friederike Schädlich, gemeinsam mit vielen weiteren Seelsorgerinnen und Seelsorgern, seit der Flut besonders für die Menschen an der Erft da. „Am Anfang war es sehr gespenstisch“, sagt sie über die erste Zeit in Blessem. „Ein ganz merkwürdiges Gefühl, wenn man durch die Stadt gegangen ist.“ Eine sehr intensive Zeit sei es gewesen, die die Menschen aber auch enger zusammengeschweißt habe, erzählt Schädlich.

Zunächst ging es vor allem um konkrete Hilfe: die Menschen unterbringen, Kleidung, Nahrung, alles, was man zum Leben braucht, organisieren. Betroffene gehen sehr unterschiedlich mit so einer Katastrophe um, berichtet die Pfarrerin. Manche wollen sofort anpacken und etwas Konkretes tun, andere sind im Schock wie gelähmt. Doch auch als Seelsorgerin war und ist sie immer da. „Ich habe das Gefühl, dass die traumatischen Erinnerungen und der Bedarf für seelischen Beistand erst jetzt bei vielen Menschen hochkommen“, sagt Friederike Schädlich. Jeder starke Regen und neu überflutete Keller lösen bei vielen Ängste aus. Bei Bedarf vermittelt die Seelsorgerin auch therapeutische Hilfe.

„Sie verdient jede Hilfe“

Um sich das Trauma der Flutnacht bewusst zu machen, geschweige denn es aufzuarbeiten, war noch gar keine Zeit bei Familie Altengarten. Doch Brigitte Altengarten weiß, dass sie sich diese Zeit bald geben muss. Ihre Herzkrankheit, wegen der sie eigentlich schon lange in Frührente ist, hat sich durch das Erlebte und die Belastungen der vergangenen zwölf Monate verschlechtert, hat sie gerade erfahren. „Um eine OP werde ich früher oder später nicht herumkommen“, sagt sie. Eher früher, wenn es nach ihrem Arzt geht. Eher später, wenn es nach ihr geht. „Ich muss doch weitermachen!“, sagt Brigitte Altengarten.

Rund 100 Meter weiter liegt die Blessemer Kiesgrube. Die Bilder von der Abbruchkante, die drei Häuser mit sich riss, gingen um die Welt und wurden zum Sinnbild der Katastrophe. Insgesamt wurden mehr als zehn Häuser komplett zerstört. Kurz vor dem ersten Gedenktag sind Baufahrzeuge eifrig damit beschäftigt, die Grube weiter aufzuschütten. Wie es eine Querstraße weiter aussieht, fragt niemand.

Brigitte Altengarten wollte am Jahrestag der Flut erst nicht zur Gedenkveranstaltung gehen. Den Teufelskreis der Bürokratie hat sie zu oft schon erlebt. „Wir müssen uns selbst helfen“, war für sie klar. Denn aufgeben wird sie nicht. Andrea Schnackertz hat sie nun motiviert, doch teilzunehmen. „Frau Altengarten ist so eine starke Frau, sie verdient jede Hilfe!“, sagt Schnackertz.

„Vielleicht kann ich ja dort doch noch jemandem unsere Geschichte erzählen“, hofft Brigitte Altengarten auf die Gedenkstunde. Um irgendwann doch wieder ein Zuhause im Eschenweg zu haben, in dem sie mehr als 25 Jahre gelebt und ihre Kinder großgezogen hat. Die Pflanzen auf der Fensterbank gießt sie noch ab und zu. „Vielleicht sind wir ja 2025 wieder hier.“

Info

Am Freitag, 15. Juli, wird um 17 Uhr in der Blessemer Kirche St. Michael ein ökumenischer Gottesdienst zum Gedenken an die Flut gefeiert (Klarastraße/Klaus-Schäfer-Straße).

Andrea Schnackertz ist zu Gast auf der Kirchenbank und berichtet dort über Ihre Arbeit im Team der mobilen Hochwasserhilfe der Diakonie. Der Beitrag ist ab dem 15. Juli abrufbar auf www.youtube/kirchekoeln

www.diakonie-koeln.de

Text: Hildegard Mathies
Foto(s): Hildegard Mathies

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Unsere Wochentipps: Kölsche Töne und Open-Air-Konzert im „Quirl“

Unsere Wochentipps sind diesmal besonders musikalisch: Das Internationale Orgelfestival lädt in den Altenberger Dom ein, beim Vortragskonzert mit Wolfgang Oelsner erklingen kölsche Töne, barocke Musik präsentiert das Tamigu-Trio in Brühl und Coversongs heizen bei einem Open-Air-Konzert im „Quirl“ an der Gnadenkirche ein. Geschichten über Alkohol von Jack London, Heinrich Böll und anderen liest Gerd Köster im Vringstreff vor.

Die Termine in der Übersicht:

14.07.2022, 20:00
Evangelische Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen
Altenberger Dom, Altenberg, 51519 Odenthal-Altenberg
Internationales Orgelfestival im Altenberger Dom
Konzert mit Professor Ludger Lohmann

Im Rahmen des Internationalen Orgelfestivals (30. Juni bis 1. September) ist Professor Ludger Lohmann, Organist und Hochschullehrer aus Stuttgart, am Donnerstag, 14. Juli, 20 Uhr, im Altenberger Dom, Eugen-Heinen-Platz 2, zu Gast. An der Klais-Orgel trägt er Werke von Jan Pieterszoon Sweelinck, William Byrd und Michael Praetorius sowie Johann Sebastian Bach (Fantasie und Fuge g-Moll) und Max Reger (Symphonische Fantasie und Fuge) vor. Der Eintritt kostet 10 Euro an der Abendkasse. Eintrittskarten im Vorverkauf gibt es im Altenberger Dom-Laden.

www.altenberger-dommusik.de

15.07.2022, 19:30
Evangelische Gemeinde Köln
Kartäuserkirche, Kartäusergasse 7, 50678 Köln
Kölsches Vortragskonzert mit Wolfgang Oelsner und Musikern
Wirkt Musik gegen Ausgrenzung?

Wolfgang Oelsner, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut und Buchautor, untersucht kölsche Lieder wie „Pänz, Pänz“, „Dem Schmitz sing Frau es durchjebrannt“ oder „Heimweh en Kölle“ mit Blick auf deren Wirkung gegen Ausgrenzung. Am Freitag, 15. Juli, 19.30 Uhr, präsentiert er seine Ergebnisse in einer musikalischen Veranstaltung in der Kartäuserkirche, Kartäusergasse 7. Dabei wird er von den Musikern Josef Loup, Christian Hecker und Micha Zass begleitet. Der Eintritt ist frei.

www.kartaeuserkirche-koeln.de

17.07.2022, 17:00
Evangelische Kirchengemeinde Brühl
Christuskirche, Mayersweg 10, 50321 Brühl
Sommerliches Konzert mit dem Tamigu-Trio
Besinnliches und virtuoses aus verschiedenen Epochen

Barockwerke von Antonio Vivaldi (Der Sommer), Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach erklingen in einem Sommerkonzert am Sonntag, 17. Juli, 17 Uhr, in der Christuskirche Brühl, Mayersweg 11. Das Tamigu-Trio ist zu Gast und spielt Besinnliches und Virtuoses aus verschiedenen Epochen. Dazu gehört auch Musik von Nicolas Clérambault und Benedetto Marcello, einem französischen und einem italienischen Barockmeister. Von dem 1956 in Hattingen geborenen Komponisten Günther Wiesemann führt das Ensemble die Triokomposition „terrae nostrae“ (Unsere Erde) auf. Dem Tamigu-Trio gehören Tamara Buslova (Orgel und Schlaginstrumente), Michael Nachbar (Violine) sowie Günther Wiesemann (Orgel, Schlaginstrumente und Sprecher) an. Der Eintritt ist frei.

www.kirche-bruehl.de

 

+++Konzert fällt leider coronabedingt aus:+++

17.07.2022, 17:00
Evangelische Kirchengemeinde Bergisch Gladbach
Gnadenkirche, Hauptstraße 256, 51465 Bergisch Gladbach
Open-Air-Konzert mit „Side by Side”
Soul-, Funk- und Rockmusik beim „Quirl-Sommer“

Die Konzerte mit der Soul-, Funk- und Rockformation „Side by Side“ werden nicht selten zur Party. Die Rhythmen und Grooves sowohl der Coversongs wie auch der eigenen Kompositionen lassen kaum ein Bein stillstehen. Am Sonntag, 17. Juli, 17 Uhr, kann man sich bei einem Open-Air-Konzert an der Evangelischen Gnadenkirche Bergisch Gladbach, Hauptstraße 256 a, davon überzeugen. Der Eintritt ist frei.

www.quirl.de

 

+++Auf einen späteren Zeitpunkt verschoben:+++
17.07.2022, 19:00
Evangelische Kirchengemeinde Köln-Brück-Merheim
Johanneskirche Brück, Am Schildchen 15, 51109 Köln
Konzert: „Crossover Bagdad – Köln“
Verschiedene Streichinstrumente erklingen in der Johanneskirche

Archaische sowie klassische und zeitgenössische Musik aus dem Orient und dem Okzident begegnen sich bei einem Konzert am Sonntag, 17. Juli, 19 Uhr, im Atrium (open-air) der Johanneskirche Brück, Am Schildchen 15. Albrecht Mauerer und Bassem Hawar spielen verschiedene Streichinstrumente ihres jeweiligen Kulturraums. Auch wenn die Tonerzeugung verwandt ist, so ist der Klang von Viola, Violine, Djoze (irakische Kniegeige), Kamanche und anderen Streichinstrumenten sehr unterschiedlich. Der Eintritt ist frei.

www.ekir.de/brueck-merheim/kulturelle-veranstaltungen-572.php

 

20.07.2022, 19:30
Evangelisch Leben in Köln und Region
Vringstreff e.V., Im Ferkulum 42, 50678 Köln
Gerd Köster liest im Vringstreff
Geschichten über den Alkohol von Jack London, Heinrich Böll und anderen

Unter dem Motto „Dieser Durst“ liest Gerd Köster am Mittwoch, 20. Juli, 19.30 Uhr (Einlass 19 Uhr), im Vringstreff, Im Ferkulum 42, Geschichten über Alkohol von Jack London, Flann O`Brian, Joachim Meyerhoff, Heinrich Böll und anderen. Der Sänger, Autor, Performer und Hörbuch-Sprecher ist zum wiederholten Mal im Vringstreff zu Gast. Ein launiger und gleichermaßen ernster wie amüsanter Abend ist zu erwarten. Die Lesung findet im Rahmen der Wanderausstellung „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ der Diakonie Deutschland statt, die noch bis Freitag, 19. August, im Vringstreff, in der Diakonie Michaelshoven, in der Kartäuserkirche, der Antoniterkirche und an anderen Orten gezeigt wird. Im Vringstreff sind Fotografien zu sehen von Göran Gnaudschun („Alexanderplatz 2010-2013“) und Esra Rotthoff („Die Ausgebürgerten“). Der Eintritt zur Lesung kostet 9 Euro, ermäßigt 7 Euro. Karten sind im Vorverkauf unter Telefon 0221/2785655 sowie an der Abendkasse erhältlich. Für KölnPass-Inhabende besteht ein begrenztes Kontingent an Gratis-Tickets.

www.vringstreff.de und www.kunst-trotzt-ausgrenzung.de

Text: APK
Foto(s): APK

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Die Kraft der Hoffnung – Ökumenisches Gedenken an die Flut

Vor einem Jahr gingen die Bilder aus Blessem um die Welt: der riesige Krater, die Häuser an der Abbruchkante – sie wurden zum Sinnbild der Flutkatastrophe an Ahr, Erft, Rhein und Sieg. Mehr als 180 Menschen verloren in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ihr Leben, tausende ihre Existenz. Am 14. und 15. Juli jährt sich die Katastrophe zum ersten Mal. In betroffenen Städten laden die Kirchen zu ökumenischen Gottesdiensten und Andachten ein – und vor allem zur Begegnung. Dabei soll es nicht nur um das Gedenken an die Opfer und das Erlebte gehen, sondern auch um die Kraft von Hoffnung und Solidarität.

Gedenkandacht in Rösrath

Am Donnerstag, 14. Juli, laden die evangelische und die katholische Kirche in Rösrath zu einer Gedenkandacht in die evangelische Versöhnungskirche ein (Hauptstraße 16). Beginn ist um 19 Uhr.

Zuvor nehmen die beiden Geistlichen, Pfarrer Thomas Rusch von der Evangelischen Gemeinde Volberg – Forsbach – Rösrath und Pastor Franz Gerards von der katholischen Kirchengemeinde St. Nikolaus, bereits an einer Gedenkstunde teil, die um 17.30 Uhr auf dem Rathausplatz in Hoffnungsthal beginnt. Hier werden sie neben Bürgermeisterin Bondina Schulze sprechen. Vor allem sollen aber Betroffene und Helfer zu Wort kommen. Organisiert wird die Gedenkstunde von der Netzwerkinitiative „Engagierte Stadt Rösrath“. „Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 werden viele nicht vergessen – ebenso wenig wie die riesige Hilfsbereitschaft und Solidarität aus der Bevölkerung. Lasst uns gemeinsam daran denken“, heißt es in der Einladung.

Bis heute ist der Hilfebedarf groß in Rösrath. „Ich habe das Gefühl, dass manche quasi noch im Schlamm sitzen und gar nicht wissen, wo sie Hilfe bekommen“, sagt Andrea Schnackertz, die als Mitarbeiterin der mobilen Hochwasserhilfe der Diakonie Köln in der betroffenen Region unterwegs ist Sie wird an diesem Tag mit ihrem Infostand unterwegs sein und den Menschen so auch zeigen, dass sie nicht allein sind, sondern dasss es Hilfsmöglichkeiten gibt.

Gottesdienst in Blessem

Am Freitag, 15. Juli, wird um 17 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst in der katholischen St.-Michael-Kirche in Blessem gefeiert (Klarastraße/Klaus-Schäfer-Straße). Dazu laden ein: die Evangelische Kirchengemeinde Lechenich, die Evangelische Friedenskirchengemeinde in Erftstadt, die Pfarreiengemeinschaft-Erftstadt-Ville und der Katholische Seelsorgebereich Rotbach-Erftaue. Mit dabei sind die Pfarrerinnen und Pfarrer Friederike Schädlich, Andrea Döhrer, Liviu Balascuti und Pastor Hans-Peter Kippels. Es singt der Chor „Neue Wege“ aus dem Seelsorgebereich Rotbach Erftaue unter Leitung von Johannes Speckamp.

Bereits am Vormittag werden in Erftstadt um 11 Uhr die Glocken aller Kirchen läuten. Die Stadt und die Kirchen laden damit zu einer Schweigeminute und zum Gedenken ein.

Angst bei jedem Regen

Die Folgen der Flut sind noch immer sicht- und spürbar. Noch immer gibt es Menschen, die nicht wissen, ob ihr Zuhause doch noch abgerissen werden muss. Materialmangel und steigende Preise im Handwerk verzögern vielerorts den Wiederaufbau.

Dazu kommen vor allem die seelischen Folgen. Und die Angst bei jedem neuen starken Regen. Die traumatischen Erinnerungen, wenn – wie kürzlich – Starkregen wieder Keller volllaufen lässt in Erftstadt.

Dankbarkeit für die Gemeinschaft

In den Gedenkgottesdiensten geht es aber nicht nur um die Erinnerungen und Traumata. „Wir wollen auch inne halten“, sagt Pfarrerin Friederike Schädlich aus Lechenich, die zum Koordinationsteam für das Gedenken in Blessem gehört. „Wir wollen auch danken, für das, was den Menschen Halt und Kraft gibt und vor allem für die erlebte Hilfe und Solidarität“, so Schädlich. Viele Menschen seien immer noch überwältigt von der Hilfsbereitschaft, die sie erlebt haben. Das bestätigt auch Andrea Schnackertz: „Dass da auf einmal ,wildfremde‘ Menschen kamen und mit angepackt haben, hat viele Menschen sehr bewegt.“

Doch nicht nur die Hilfe von außen – ob in der konkreten Arbeit vor Ort oder durch Spenden – erfüllt die Menschen bis heute mit Dankbarkeit. Auch das Miteinander hat sich verändert, erzählt Schädlich: „Erftstadt ist ja im Grunde eine Ansammlung von Dörfern. Der Zusammenhalt zwischen diesen Orten ist stark gewachsen.“

Auch darum wird es gehen in den Gedenkgottesdiensten. Und um den Blick nach vorne: „Wie geht es weiter? Was gibt uns Halt? Wer hält mich? Wer gibt mir Kraft?“ nennt Pfarrerin Friederike Schädlich Beispiele.

Text: Hildegard Mathies
Foto(s): Friederike Schädlich

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CSD-Gottesdienst: „Gott nimmt uns so an, wie wir sind“

Ein überzeugtes, kraftvolles „Jaaa“ schallte CityKirchenPfarrer Markus Herzberg entgegen. Über 350 Menschen reagierten einhellig auf seine Eingangsfrage, ob sie den ökumenischen Abendmahlsgottesdienst zum Christopher-Street-Day (CSD) in der Corona begründeten Zwangspause ebenso vermisst hätten wie er selbst. Viele Besucher*innen saßen schon eine Stunde vor Beginn in der AntoniterCityKirche. Als zum Einzug die ersten Töne der Bordkapelle der StattGarde Colonia Ahoj e.V. von der Empore erklangen, waren auch die Stehplätze in Teilen der Gänge und im Foyer besetzt.

„Umso schöner, dass wir nun in all unserer Vielfalt hier versammelt sind“, begrüßte Herzberg. Nach der Pause bräuchten wir diesen seit fast dreißig Jahren traditionell am Vorabend der CSD-Parade gefeierten Gottesdienst noch mehr als zuvor. Er beklagte beispielsweise das Attentat in Oslo und die anhaltende alltägliche Diskriminierung von lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter* und queer orientierten Menschen (LGBTIQ+). Es sei wichtig, dass wir in all unserer Verschiedenheit zeigten, dass das die Kirche Jesu Christi sei. Diesen Gottesdienst nannte er eine Art Gegenprogramm zu unwahren Behauptungen, dass etwa Homosexualität gegen Gott sei. „Behaltet euer Hirn, eure Widerstandskraft“, appellierte der Pfarrer. „Gott nimmt uns so an, wie wir sind in all unserer Verschiedenheit.“

Die Freude über das gemeinsame Feiern fand im mitreißend-schwungvollen Spiel der von Kapellmeister Roland Steinfeld geleiteten Bordkapelle mit ihren Blas- und Schlaginstrumenten eine wunderbare Entsprechung. Wohl auch dadurch animiert, sang die Gemeinde vom Eingangslied „Pilger sind wir Menschen“ bis zum Schlusslied „Do bes der Här“ zur Melodie von „Do bes die Stadt“ nahezu geschlossen und inbrünstig mit. Wie das Kölner CSD-Wochenende insgesamt, stand der von Herzberg mit launigen Formulierungen bereicherte Gottesdienst unter dem Motto „Für Menschenrechte – Viele. Gemeinsam. Stark!“ Mitgestaltet wurde er unter anderem von Prädikantin Karin-Bettina Encke, Olaf Sion (alt-katholischer Geistlicher im Ehrenamt) und dem römisch-katholischen Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm. Herzberg hatte eigens sein viermonatiges Kontaktstudium in Berlin unterbrochen.

„Woher weiß ich, wo ich lang gehen muss?“

Eingangs seiner auch autobiographisch gespeisten Predigt stellte Herzberg fest, dass es eine entscheidende Frage gebe, die man sich im Leben stelle: „Wer sagt mir, was ist richtig für meinem Leben, was ist falsch? Woher weiß ich, wo ich lang gehen muss? Woher weiß ich, ob ich richtig bin, so wie ich mich fühle, so wie ich empfinde?“ Herzberg glaubt, dass jede und jeder von uns mit einer inneren Stimme auf die Erde komme. Mit einer Stimme, die angelegt habe, was richtig und gut sei. „Der man vertrauen kann.“

Es sei in uns angelegt, dass kleine Kinder bedingungslos den Menschen vertrauten, die sie großziehen würden. Mit dem Älterwerden prallten ganze viele Stimmen der Welt auf uns ein und „sagten“ uns, was richtig und falsch sei. Was man nicht tun dürfe, wie man sich zu benehmen habe. Er erinnerte seine nicht so schöne Grundschulzeit, vergrault von einer nicht so netten Lehrerin. „Es gibt Stimmen, die machen etwas bei uns kaputt“, gab er zu bedenken. So viel kaputt von dem, was an freier Entfaltung und Grundvertrauen vorhanden sei. Noch während seines Studiums habe er sich seiner Homosexualität geschämt und sie „versteckt“. Er habe Angst empfunden, gedacht, dass er „falsch“ sei. „Ihr alle“, wandte er sich an die Gemeinde, „könntet solche Geschichten erzählen.“ Geschichten, in denen man nicht zu seinen Empfindungen gestanden habe. Heute stehe er selbstbewusst zu sich selbst. Und wir alle müssten uns sagen: „Ich möchte zu mir stehen, koste es was es wolle.“ Als Christ sage er sich, „es ist die Stimme Gottes, die ich höre, der ich vertraue und die mir sagt, es ist gut so“.

Herzberg kam auf den mitfeiernden römisch-katholischen Pfarrer Bernd Mönkebüscher zu sprechen. Der Buchautor und Mitbegründer der Initiative #OutinChurch versuche etwas zu bewegen in seiner Kirche. Sie zu einer anderen, von einer engen zu einer weiten zu machen. Und Herzberg las einen Text, den ihm Mönkebüscher vorab einer geplanten Publikation übermittelt hatte. In diesem schreibt Mönkebüscher über seine Gedanken und Eindrücke bei seinem ersten Besuch des CDS-Gottesdienstes in Köln 2017. Er sei damals noch ungeoutet gewesen. Habe Angst vor Konsequenzen gehabt, falls ihn jemand erkennen sollte. Nachdem er sich überwunden hatte, den sehr vollen Kirchraum zu betreten, habe ihn die gelöste Atmosphäre überrascht.

„Ich kann hier ankommen, ich kann hier sein“

Mönkebüscher schildert ein buntes Bild von Menschen, dass ihr Queer-Sein verbinde. Nicht für möglich gehalten habe er, dass vom ersten bis zum letzten Lied alle mitsingen und der Raum sich mit Gesang so kräftig füllt, wie er es kaum aus normalen Gemeindegottesdiensten kenne. „Ein bewusstes Singen, möchte ich sagen.“ Und Mönkebüscher habe gemerkt, „ich kann hier ankommen, ich kann hier sein. Zum ersten Mal fühle ich mich als schwuler Mann in einem Gottesdienst angesprochen und angenommen.“ Es habe sich angefühlt wie der Zusammenfall von Ostern und Weihnachten. „Ich kann ganz da sein, muss nichts verstecken“, zitierte Herzberg den Autor. Dieser CSD-Gottesdienst habe einen Sitz im Leben aller, die da seien, schreibt Mönkebüscher von einer besonderen Stimmigkeit: „Es geht also doch, Farbigkeit in der Kirche und ein Glaube, der freimacht.“ Herzberg dankte dem Kollegen ausdrücklich für seine Schilderung. Die Besucher*innen schlossen sich mit anhaltendem Applaus an.

„Geht raus und seid stark“

„Es ist gut, dass es Menschen wie Bernd und ganz viele andere gibt, die nicht schweigen, sondern sich hinstellen und ein Beispiel geben und sagen können, ich bin so gut wie ich bin“, betonte Herzberg. Es sei wichtig, dass wir unsere innere Stimme hören könnten. Dass sie Raum nehmen dürfe, bis wir auf die Straße gehen könnten und alles okay sei. Bis wir nicht mehr für rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz demonstrieren müssten, sondern nur noch unbeschwert feiern dürften. „Vertraut dieser Stimme, die in euch ist!“, warb Herzberg. Der Stimme, die euch zu leuchtenden Zeuginnen auf dieser Welt mache. „Geht raus und seid stark. Lasst uns nicht aufhören zu glauben, dass Vielfalt als bereichernd empfunden wird.“

Auch in der Bibel gebe es viele Menschen, die ihrer eigenen Stimme vertrauten. Darunter Prophetinnen und Propheten, die sich von Jesus haben ansprechen lassen. Die sich von ihrem alten Leben losgesagt und gewusst hätten, dass es immer die Chance gebe neu anzufangen. „Die Stimme ist da, ich verspreche es euch. Sie meint es gut mit uns, ihr seid geliebte Kinder Gottes, so wir ihr seid. In all eurer Vielfalt seid ihr okay.“ Niemand habe das Recht zu sagen, „du darfst so nicht sein“. Entsprechend richteten sich auch die Fürbitten an Gott als der „Ursprung der Vielfalt, der die Menschen so oder so gemacht hat“.

„Es macht wahnsinnig viel aus, dass ihr da seid“

Es seien eine Freude und ein Fest, hier zu sein, sagte Herzberg zur Verabschiedung. Er wünschte einen sicheren CSD und machte aufmerksam, dass er nicht nur einmal im Jahr hier Gottesdienst feiere. Die Kollekte floss wie in den Vorjahren dem Verein rubicon in Köln für seine Projektarbeit zu. Rubicon bietet „Beratung, Gesundheitsförderung und Unterstützung für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queer lebende Menschen und Gruppen“ an. Es freue ihn sehr, „dass ihr diese Arbeit macht“, dankte der Pfarrer anwesenden rubicon-Vertreter*innen. Seinen Dank richtete er ebenso an die Bordkappelle: „Es macht wahnsinnig viel aus, dass ihr da seid.“ Tatsächlich verlängerten die Musiker*innen ihren Aufenthalt und begleiteten auch das anschließende Beisammensein auf dem Kirchplatz an der Schildergasse mit Interpretationen bekannter Songs in ihrem ganz eigenen lebendigen Sound.

„PRISM – All colours of queerness“: Gottesdienst in der Christuskirche

Auch in der Christuskirche (Fotos: APK) haben zumeist junge Menschen schon am Freitagabend um 18 Uhr in der Christuskirche ihren Gottesdienst zum CSD gefeiert – rund hundert Menschen machten mit. „PRISM – All colours of queerness“: Dieses Motto zeigten die gespannten Bänder, die zusammen einen bunten Regenbogen ergaben.  „Wir feiern, wie wir geschaffen wurden: queer, homo, trans, nicht-binär, questioning. Das tun wir nicht nur auf den Straßen Kölns, sondern auch im schönsten Gotteshaus der Stadt. In der evangelischen Christuskirche wird es glitzern, weil die Liebe mit uns tanzt.“ Mit diesen Worten hatten Pfarrerin Janneke Botta und Pfarrer Tim Lahr zu dem Gottesdienst eingeladen.

Musikalisch gestaltet wurde er unter anderem von Ludi. Sie* hatte in 2021 bei DSDS das Finale erreicht. Viele Besucher*inne waren in diesen Gottesdienst gekommen, um sich den Segen für das CSD-Wochenende abzuholen. Das konnte sie auch und gingen so gestärkt in das bunte Wochenende.

Text: Engelbert Broich / APK
Foto(s): Engelbert Broich / APK

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