Kein frommes Selbstgespräch: Der Gottesdienst der ACK im Kölner Dom stellte das Gebet in den Mittelpunkt

Im Rahmen der Dreikönigswallfahrt hat die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) zu einem ökumenischen Gottesdienst in den Kölner Dom eingeladen. Dieser stand unter dem – von der Kölschrockband BAP entliehenen – Thema „Wenn et Bedde sich lohne däät“.

„Wir beschenken uns in dieser Stunde mit dem gemeinsamen Gebet“, begrüßte Stadtdechant Msgr. Robert Kleine die Anwesenden am Dreikönigsaltar, auf den Tag genau 702 Jahre nach der Weihe von Domchor und Hochaltar am 27.09.1322.

Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie, erinnerte daran, dass unter den ersten Menschen, die Jesus angebetet haben, die Drei Könige waren und betete mit Worten aus Psalm 27: „Gott ist unser Licht und Heil. Vor wem sollten wir uns fürchten.“ Am Ende des Psalms ist von der Hoffnung des Beters die Rede, eines Tages „die Güte des Herrn“ zu sehen, und „wo Güte ist“, so Bock, „verschwindet die Angst.“

Vaterunser in Gebärdensprache

Das anschließende Vateruser konnte, dank einer Gebärdendolmetscherin, nicht nur gebetet, sondern auch visuell wahrgenommen werden.

Sr. Ancilla Wißling (Karmel Maria vom Frieden) nahm Bezug auf den jüdischen Philosophen Martin Buber, wenn sie das Beten vor allem als eine Du-Beziehung beschrieb. Sie zitierte aus dem „Buch des Lebens“ der spanischen Karmelitin Teresa von Avila: Beten sei „Sich gern und oft bei dem aufhalten, von dem ich mich geliebt weiß wie bei einem Freund“. Beten sei ein „Beziehungsgeschehen“ und keine Münze, die man in einen „Wunscherfüllungsautomaten“ wirft.

Pfarrerin Dorothea Ugi beschrieb, wie ihr Verhältnis zum Gebet einen Wandel durchmachte. Sie sei aufgewachsen in einer charismatischen Gemeinschaft in Süddeutschland, in der das Beten eine herausgehobene Stellung und vor allem eine klare Form hatte. „Ich habe immer sehr angestrengt hingehört, ob Gott auch zu mir spricht. Und nicht nur ich zu Gott. Und meistens war ich verzweifelt, weil das mit der Kommunikation nicht ganz so gut geklappt hat, wie bei anderen.“ Das verrückteste Gebetserlebnis, von dem ihr eine Person berichtet habe, sei das einer Wandergruppe gewesen, die abends, am Ende ihrer Kräfte, Gott um Hilfe gebeten habe. Am nächsten Morgen sei der Berg einfach verschwunden gewesen. Da hatte wohl jemand die bergeversetzende Kraft des Glaubens etwas zu wörtlich genommen … „Wenn ich heute bete, versuche ich nicht, Gott zu meinem Vorteil zu beeinflussen, Gott davon zu überzeugen, wie es gut für mich und die Welt wäre.“

„Beten zieht den großen Gott in ein kleines Herz“

Dr. Brigitte Saviano warf einen Blick auf Beten und Gebet in der Caritas-Arbeit, wo Menschen am Anfang und am Ende ihres Lebens, in Krankheits- und Krisensituationen begleitet werden. „Dabei möchten wir den Menschen in seiner Ganzheit sehen. Es bedeutet, diesen konkreten Menschen in seinem Da-Sein und seinem Geworden-Sein wahrzunehmen und kennenzulernen. Dazu gehört seine Biografie, seine Welt, seine Spiritualität.“ „Warum beten Sie?“ Diese Frage wurde vor einigen Jahren Caritas-Mitarbeitenden aus den verschiedenen Arbeitsbereichen gestellt. Brigitte Saviano zitierte einige der Antworten, z. B. „All die Dinge, die ich am Tag während der Pflege nicht verarbeiten kann, die schreibe ich am Abend auf und teile sie Gott mit“ oder „Wenn ich im Gebet aussprechen kann: ‚So sehe ich das. So geht es mir.´ Das ist befreiend.“ Beten als selbstverständlicher Bestandteil des Tages, als vertrautes Zwiegespräch mit Gott, dem kein Thema zu banal oder persönlich ist, oder wie Mechthild von Magdeburg es formulierte: „Beten zieht den großen Gott in ein kleines Herz.“

Nach dem von Hanns Dieter Hüsch (mit)getexteten Lied: „Keinen Tag soll es geben“, in dessen Refrain es heißt: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der halte unseren Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe“, wurden Fürbitten von Repräsentanten und -innen der ACK vorgetragen.

Welche besondere Rolle das Vaterunser für die Ökumene spielt, ist vielleicht daran abzulesen, dass es in diesem Gottesdienst sogar zweimal, nun gemeinsam, gebetet wurde und Lukas 11, 1-10 zudem Text der Evangeliumslesung war. Mit Segenslied und Segen endete ein Gottesdienst, der das Beten in den Mittelpunkt stellte, nicht als „spirituellen Hochleistungssport“ oder religiöses Lifestyle-Accessoire, sondern als alltägliche „Beziehungsarbeit“.

Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke

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Überfall der islamistischen Hamas auf Israel: Gemeinsame Stellungnahme zum ersten Gedenktag

Der Evangelische Kirchenverband Köln und Region, das Katholische Stadtdekanat Köln und der Katholikenausschuss in der Stadt Köln haben zum ersten Gedenktag des Überfalls der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eine Stellungnahme verfasst:

„Der 7. Oktober 2023 ist und bleibt eine Zäsur. Der Überfall der islamistischen Hamas auf Israel, der Tod von mehr als 1200 Menschen und die zahlreichen Geiseln, die teilweise bis heute gefangen gehalten werden, haben das Leben der jüdischen Bevölkerung in Israel radikal verändert. Auch in Köln sind diese Veränderungen spürbar.

Das Katholische Stadtdekanat Köln, der Katholikenausschuss in der Stadt Köln sowie der Evangelische Kirchenverband Köln und Region stehen solidarisch an der Seite des israelischen Volkes und unserer jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn in Köln und weltweit. Mit Gedenkveranstaltungen und Gebeten halten wir die Erinnerung wach und möchten immer wieder ein Zeichen gegen Judenhass und jegliche Form von Gewalt setzen.

Für Donnerstag, den 7. November 2024, haben wir um 19 Uhr einen ökumenischen Schweigegang durch die Kölner Altstadt mit Start am Jüdischen Museum in Erinnerung an die Reichspogromnacht von 1938 geplant, zu dem wir schon heute einladen.“

gez. Bernhard Seiger, Stadtsuperintendent
gez. Msgr. Robert Kleine, Stadtdechant
gez. Gregor Stiels, Vorsitzender Katholikenausschuss

Text: APK
Foto(s): APK-Collage/Canva

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„Angriff von Rechtsaußen: Wie bleibt die Demokratie wehrhaft?“: Braunsfelder Forum lädt zur Diskussion ein (wird verschoben)

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„Angriff von Rechtsaußen: Wie bleibt die Demokratie wehrhaft?“: Im Braunsfelder Forum am Mittwoch, 9. Oktober, 19 Uhr, im Gemeindehaus der Clarenbach-Kirchengemeinde Köln-Braunsfeld, Peter-von-Fliesteden-Straße 2, diskutieren darüber Gerhart Baum, Bundesinnenminister a. D., Dirk Neubauer, Landrat von Mittelsachsen a. D., Marie Hacker, Bezirksschülervertreterin (Deutz), sowie Mark Krenzel, Bezirksschülervertreter (Pesch). Das Gespräch wird von Arnd Henze, Journalist und Autor, moderiert, der auf die „Dringlichkeit des Themas“ verweist. Es wird um folgende Fragen gehen: Wie kann die Demokratie gegenüber der Bedrohung von Rechtsaußen wehrhaft bleiben? Wie müssen Institutionen gestärkt werden? Und wie können die großen Proteste vom Winter nachhaltig wirksam werden?

Anfang des Jahres gingen Millionen Menschen für die Demokratie und die offene Gesellschaft auf die Straße. Doch die jüngsten Wahlen zeigen: vor allem in Ostdeutschland verfestigt sich die Dominanz der rechtsextremen AfD. Der Druck auf demokratische Politikerinnen und Politiker sowie zivilgesellschaftliche Gruppen nimmt zu. Auch in Köln gibt es Stadtviertel, in denen rund 20 Prozent der Wählenden für die AfD gestimmt haben. Besonders beunruhigend ist, dass vor allem unter Jugendlichen rechte Positionen und Parteien immer attraktiver werden.

Der Eintritt ist frei.

www.clarenbachgemeinde.de

Text: APK
Foto(s): APK/Canva

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Stiftungsforum zur ForuM-Studie: Folgen und Stand der Aufarbeitung

Brisante gesellschaftliche Themen anzupacken, sie mithilfe von Experten und Expertinnen zu diskutieren und in die Stadtgesellschaft zu tragen – das ist das Anliegen des mehrmals jährlich stattfindenden Stiftungsforums der Stiftung „Türen zum Nächsten“ der Evangelischen Kirchengemeinde Frechen. Diesmal war Stadtsuperintendent Bernhard Seiger zu Gast in der Evangelischen Kirche an der Hauptstraße, um über die ForuM-Studie, ihre Folgen und den Stand der Aufarbeitung zu informieren.

Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul, Vorsitzende des Stiftungsrates, begrüßte die Gäste. Bernhard Seiger stellte zunächst fest, dass es sich um ein kompliziertes und vielschichtiges Thema handele. Es belaste die Betroffenen über Jahrzehnte und sei mit Scham behaftet. Auf Seiten der Kirche stünden die Begriffe „Schuld“, „Versagen“ und „Verbrechen“ im Raum.

Zeitenwende

Als die ForuM-Studie am 25. Januar 2024 veröffentlicht wurde, kam das einer „Zeitenwende“ in Hinblick auf das Selbstverständnis der evangelischen Kirche gleich. Die 870 Seiten umfassende unabhängige Untersuchung biete „schwere Kost“ und stelle vor die Herausforderung, „ein Gespür für dieses sensible Thema zu entwickeln“ und „sprachfähig“ zu werden. Um eventuellen Retraumatisierungen bei den Teilnehmenden vorzubeugen, wies Seiger auf die vorhandenen Vertrauenspersonen und Beratungsstellen hin.

Zunächst nahm er die Reaktionen auf die Studienergebnisse in den Blick, die „sehr unterschiedlich“ gewesen seien. Nach einem ersten großen Erschrecken hätten sich diese zwischen „Ich habe es geahnt!“, dem Wunsch nach Verdrängung sowie Empörung bis hin zu Austritten bewegt. Bei den Mitarbeitenden hätten die Erkenntnisse aus der ForuM-Studie zu Verunsicherung geführt. Seiger übte aber auch Medienkritik: Die Veröffentlichung der Studie sei „Aufmacher in allen Medien“ gewesen, aber „einen oder zwei Tage später war das Thema durch“. Dies sei zum einen der Ernüchterung geschuldet, zum anderen würden in der evangelischen Kirche jene „Gallionsfiguren“ fehlen, die im Falle der katholischen Kirche als medienwirksame Projektionsflächen dienten.

Externe Stellen beteiligen

Dann wandte Seiger sich den Schritten der Aufarbeitung zu und machte zunächst den Zielkonflikt zwischen Geschwindigkeit oder Qualität deutlich, dessen Lösung auch eine Frage der Glaubwürdigkeit sei. „Wir wollen uns nicht dem Vorwurf aussetzen, wir würden nur oberflächlich aufarbeiten“, hielt er fest. Daher sei es besonders wichtig, externe Stellen an diesem Prozess maßgeblich zu beteiligen.

Bernhard Seiger bemängelte aber auch Fehler im Design der ForuM-Studie, die sich zu sehr an der katholischen Kirche orientiere. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen seien mit einer „disparaten Aktenlage“ konfrontiert gewesen, daher seien auch kaum Zentralakten eingesehen worden. Im Gegensatz zum katholischen Pendant seien auch andere Berufsgruppen (z.B. die Beschäftigten von Kinderheimen und KiTas) sowie Ehrenamtliche berücksichtigt worden, was die Vergleichbarkeit erschwere. Trotzdem handele es sich insgesamt um eine sehr gute Studie. Seiger hob die Bedeutung der Perspektive der Betroffenen (z.B. auf der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung der Studie) hervor. „Diese Sichtweise hat ihr Recht“, betonte er. Jede Sichtweise, jede Erfahrung habe Dignität. Seiger machte deutlich, dass die persönliche Aufarbeitung des Geschehenen einen oft lebenslangen Prozess darstelle. „Wer betroffen ist, ist nicht einfach fertig“, sagte Seiger und zitierte eine Betroffene: „Ich war jahrzehntelang Opfer, dann war ich lange Betroffene, jetzt, wo wir miteinander sprechen, beginne ich langsam, die Kontrolle über mein Leben wiederzugewinnen.“

In einem dritten Schritt stellte der Stadtsuperintendent die Aufarbeitungskommission Rheinland-Westfalen-Lippe vor. Ein erstes Treffen Betroffener der Region fand im Juni dieses Jahres in Dortmund statt. Bei den etwa 60 Personen handele es sich um eine „disparate Gruppe“. Bei der Einrichtung der Aufarbeitungskommission, der die Kirchenkreise berichtspflichtig sind, habe man unter anderem vor der Frage gestanden: „Wie findet man eine legitimierte Interessenvertretung?“

Verschiedene Arten der Aufarbeitung

Den vierten Teil seines Vortrags widmete Bernhard Seiger den verschiedenen Arten der Aufarbeitung (individuelle, institutionelle und wissenschaftliche Aufarbeitung). Hier seien die Kirchenkreise gefragt. Es seien bereits differenzierte Fragebögen entwickelt worden, um zu klären, wo sich welche Akten befinden. Viele Vorfälle seien allerdings nicht dokumentiert. Momentan seien 23 Staatsanwält*innen zur Aufarbeitung der Fälle beauftragt. Dies trage mit dazu bei, die evangelische Kirche vom Vorwurf der Vertuschung zu entlasten. Auch das gemeindeinterne Gespräch sei wichtig. Um den richtigen Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt zu etablieren, seien verpflichtende Schulungen eingeführt worden, die auch in regelmäßigen Abständen (beispielsweise alle fünf Jahre) wiederholt werden müssten.

Dann warf Seiger einen kritischen Blick auf „unser Kirchenbild“. „Wir haben uns für die liberalere und lockerere Kirche gehalten“, stellte er fest. Oft seien es gerade charismatische Persönlichkeiten, die ihren Einfluss auf Jugendliche oder junge Erwachsene ausnutzten. Es habe bisweilen keine Kontrolle gegeben und zu wenig Transparenz. Seiger zitierte die Studie, die in diesem Zusammenhang recht schonungslos von „organisierter Verantwortungslosigkeit“ spricht. Die Bereiche Pfarrhaus und Freizeiten seien besonders ins Blickfeld geraten. Allerdings fehle in der ForuM-Studie ein (geplantes) Kapitel über die Täter, da schlicht niemand sich bereit erklärt habe zu sprechen.

Theologische Perspektiven

Abschließend wandte sich Seiger den theologischen Perspektiven zu. Zum einen gehe es, auch in der evangelischen Kirche, um Machtstrukturen, aber ab den 80er Jahren spiele auch der spirituelle Faktor bei der Entstehung von Abhängigkeitsverhältnissen eine Rolle. Das Spirituelle sei „Faszinosum und Tremendum“ und durch die große Nähe von Sexualität und Spiritualität könne Letztere als Einfallstor dienen. Theologische Fragen wirft auch das Thema der Schuld auf. Sie sei immer individuell und müsse konkret benannt werden, auch Nichthandeln und Wegsehen.

Während der anschließenden Diskussion kamen viele persönliche Erfahrungen, vor allem mit den bereits stattgefundenen Schulungen zur Sprache. Bernhard Seiger gab Auskunft über die konkreten Abläufe in Verdachtsfällen und seine Rolle als Stadtsuperintendent. Es ging aber auch um die Frage der Balance zwischen Vertrauen und notwendiger Prävention. Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul zog interessante Parallelen zum kritischen Umgang mit dem Schuldbegriff in der feministischen Theologie und Bernhard Seiger forderte: „Wir müssen die Kreuztheologie neu denken!“ Nicht mehr (allein) der Sünder dürfe Trost und Vergebung unter dem Kreuz finden, sondern dort solle vor allem Platz für das Leid der Opfer bzw. Betroffenen sein. Auch die traditionellen Schuldbekenntnisse müssten angesichts der Studienergebnisse überdacht und ggf. neu formuliert werden.

„Wir dürfen nicht zu schnell mit Versöhnung kommen“, forderte Seiger. „Es ist nicht die Aufgabe der Betroffenen zu vergeben.“ Er blickte auch in die Zukunft: „Wir machen Fortschritte. Wir sehen hin und werden sprachfähiger.“

Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke

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Diskussion zur Zukunft der Kirchensteuer: Herausforderungen und Lösungsansätze

„Kirchensteuer ohne Ende – das Ende der Kirchensteuer?“: Die Zukunft der Kirche hängt ganz wesentlich mit der Zukunft ihrer Finanzierung zusammen. Doch wie könnte die aussehen? Darüber diskutierten in der Karl Rahner Akademie Dr. Anna Ott (seit dem 1. September Kanzlerin der Kurie in Mainz), Gordon Sobbeck (Finanzdirektor und Ökonom des Erzbistums Köln) und Superintendent Markus Zimmermann (Vorsitzender des Ständigen Finanzausschusses der Evangelischen Kirche im Rheinland) in der Karl Rahner Akademie. Der ökumenische Abend wurde moderiert von Norbert Bauer, Leiter der Karl Rahner Akademie, und Dr. Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie.

Norbert Bauer erinnerte sich an ein Gespräch, das er zu Beginn seines Studiums mit Oswald von Nell-Breuning führen durfte. Der habe ihm geraten: „Lesen Sie jeden Tag den Wirtschaftsteil der Zeitung! Das brauchen Sie als Theologe.“ Sehr eindrücklich seien die unmittelbaren Auswirkungen der sinkenden Kirchensteuereinnahmen für ihn geworden, als das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Köln beschließen musste, dass man sich von zwei Kirchen (Thomaskirche und Lutherkirche) als Gottesdienstorten trennt. Gründe seien neben der sinkenden Zahl der Kirchenmitglieder, wie sie beispielsweise die „Freiburger Studie“ und die „Projektion 2060“ prognostizieren, die demografische Entwicklung sowie persönliche Entscheidungen.

Historischer Überblick auf das „System Kirchensteuer“

Bevor die Podiumsgäste miteinander ins Gespräch kamen, gab Dr. Anna Ott einen historischen Überblick und erläuterte das „System Kirchensteuer“ aus katholischer Perspektive.

Seinen Ursprung hatte diese Form der Finanzierung in den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen des 19. Jahrhunderts, insbesondere im Reichsdeputationshauptschluss von 1903.

Sinkende Pfründeeinnahmen und die Ablösung des Zehnt sollten durch die Einführung einer Pflichtabgabe ausgeglichen werden. Ott bescheinigte dem „System Kirchensteuer“ eine „hohe Funktionalität und, abgesehen von der Umstellung von der Orts- auf die Diözesankirchensteuer in den 50er Jahren, eine beachtliche Kontinuität.“ Auch waren kirchliche Ausgaben so besser planbar.

Kirchensteuer in Deutschland sehr stark rechtlich verankert

Die Kirchensteuer sei in Deutschland sehr stark rechtlich verankert, erklärte Ott. Sie sei verfassungskonform und nur mit einer 2/3-Mehrheit zu ändern. Die Verwendung sei eng an kirchliche Aufgaben geknüpft: Gottesdienste, Werke des Apostolats und der Caritas sowie der Unterhalt der Angestellten. Daraus ergebe sich auch eine Sorgfaltspflicht im Umgang mit den Geldern.

Anhand einer Grafik veranschaulichte Anna Ott dann die Zusammensetzung und die Entwicklung der Kirchensteuereinnahmen des Erzbistums Köln von 2008 bis 2018. Maßgeblich sind die drei Komponenten Lohnsteuer, Einkommenssteuer sowie die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Hinzu kommen (in sehr geringem Maße) Einnahmen aus dem „besonderen Kirchgeld“, das gut verdienende Personen zahlen, die selbst nicht Mitglied einer Kirchensteuer erhebenden religiösen Vereinigung sind, jedoch mit einem weniger gut verdienenden Kirchenmitglied verheiratet sind.

Dass eine fehlende Kirchenmitgliedschaft ähnliche Folgen nach sich zieht wie eine Exkommunikation, kritisierte Anna Ott als unverhältnismäßig, zumal es keine Prüfung der Motive gebe.

Wofür wird die Kirchensteuer verwendet?

Offensichtlich hat die Institution der Kirchensteuer nicht nur ein demografisches, sondern auch ein Akzeptanz-Problem. Die durch Säkularisierung, Intransparenz und Skandale bestärkte Entfremdung führt zu weniger Taufen und einer steigenden Zahl von Kirchenaustritten, weniger Kirchenmitglieder wiederum bedeuten weniger Kirchensteuerzahlende. Darin könne aber auch eine Chance liegen, stellte Ott fest. Die Frage „Wofür wird die Kirchensteuer verwendet?“ und die damit verbundene Verantwortung rücke wieder stärker in den Fokus.

Ältere, sehr optimistische Prognosen besagten zwar, dass die Einnahmen aufgrund der positiven Lohnentwicklung nominal noch eine Weile steigen würden, faktisch erhielt bereits im Jahr 2023 die Römisch-Katholische Kirche in Deutschland etwa 6,51 Milliarden Euro (330 Millionen Euro bzw. 5 Prozent weniger als im Vorjahr) Kirchensteuer und die Evangelische Kirche nahm 5,9 Milliarden Euro (5,3 Prozent weniger als im Vorjahr) ein. Zudem sinke die Kaufkraft des Geldes.

Breitere Finanzierung der Kirchen

Anna Ott beließ es aber nicht bei der historischen Herleitung und der Darstellung der gegenwärtigen Situation, sondern zeigte auch Handlungsoptionen auf: Zum einen riet sie den Kirchen, sich in Hinblick auf ihre Finanzierung breiter aufzustellen, zum anderen, das Sparpotential von Priorisierung und Profilierung zu nutzen und innerhalb des Systems zu reformieren, beispielsweise indem Spenden von der Kirchensteuerlast abgezogen werden können.

Kirchensteuerhoheit bei den Gemeinden

Zu Beginn der anschließenden Diskussion wies Superintendent Markus Zimmermann darauf hin, dass in der evangelischen Kirche die Kirchensteuerhoheit bei den Gemeinden liegt. Etwa 21 Prozent würden für landeskirchliche Aufgaben verwendet. Allerdings zahlten immer mehr Menschen, z.B. Rentner*innen oder Geringverdiener*innen, keine Kirchensteuer (mehr). Die Gemeinden müssten sich verändern. So werde sein Kirchenkreis Köln-Nord von 16 auf 12 Gemeinden „schrumpfen“ und man müsse mehr als zehn Kirchen abgeben. Als Beispiel nannte er seine Heimatgemeinde, die Begegnungsgemeinde. Dort wurden beide Kirchen zugunsten eines (mittlerweile mit dem Kölner Architekturpreis ausgezeichneten) Neubaus aufgegeben. Schließlich wies der Superintendent auf zwei zukünftige Herausforderungen hin: Alle Gemeinden müssen bis 2026 über ihre Gebäude entscheiden und bis 2035 klimaneutral sein.

Gordon Sobbeck stellte fest: „Das Erzbistum hat sich auf den Weg gemacht!“ Im „Wirtschaftlichen Rahmenplan 2030“ habe man eine Perspektive entwickelt und die Prozesse daraufhin ausgerichtet  „Ich bin ein Verfechter des Systems Kirchensteuer!“, bekannte der ehemalige Kämmerer. Es handele sich um ein Solidarsystem, in dem 25 Prozent der Zahlenden etwa 85 Prozent des Aufkommens erbringen. Die Kirchensteuer ermögliche Unabhängigkeit und eine Änderung des Systems würde zu großen Umwälzungen führen.

„Warum Kirchensteuer?“ – „Weil ich meinen Beitrag leisten möchte.“

Norbert Bauer brachte eine Idee aus Österreich ins Spiel, wo 50 Prozent der Steuer einem konkreten Zweck zugeordnet werden können. Markus Zimmermann bemerkte, dass das „Ortsgemeindedenken“ zunehmend überholt sei. Spendenbereitschaft sei vorhanden. „Wir müssen viel mehr ermöglichen“, forderte Zimmermann und skizzierte die Vision einer „einladenden Kirche“. Auf die Frage „Warum Kirchensteuer?“ sollte die Antwort lauten können: „Weil ich meinen Beitrag leisten möchte.“

Gordon Sobbeck verwies – in Analogie zu den evangelischen Konzepten – auf zwei wesentliche Strategiepläne des Erzbistums: den Nachhaltigkeitsplan und ein Verfahren zur Priorisierung. „Künftig darf auch die Frage nach der Wirkung der eingesetzten Mittel eine Rolle spielen“, forderte er. Als Martin Bock nach den ökumenischen Schnittstellen in der Debatte fragte, zeigte sich Anne Ott überzeugt: „Politische Veränderungen können die beiden großen Kirchen nur gemeinsam durchsetzen.“

Optimistischer Blick auf die notwendigen Fusionsprozesse

Markus Zimmermann setzte den eher pessimistischen Zukunftsaussichten einen optimistischen Blick auf die notwendigen Fusionsprozesse entgegen. „Die Gemeinden entdecken einander“, schilderte er seine Erfahrungen und ermunterte, sich „über den eigenen Tellerrand zu bewegen“. Dem Bekenntnis des Superintendenten „Ich bin ein totaler Fan von Fusion!“ setzte Anna Ott entgegen: „Fusionsprozesse müssen sehr gut begleitet sein.“

Das Publikum in der Karl Rahner Akademie bewegte die Frage nach der Verweigerung eines katholischen Begräbnisses für Nicht-Kirchenmitglieder. Auf dem Podium war man sich einig, dass dafür pragmatische Lösungen vor Ort gefunden werden müssten (und bereits werden).  Eine weitere Frage aus dem Auditorium zielte auf die Anrechnung der Immobilienerträge auf den Kirchensteueranteil. Markus Zimmermann erläuterte daraufhin, dass ein Finanzausgleich stattfinde. Auch kritisierte er die Haltung der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner, die Kirchengebäude als Allgemeingut ansieht und eine Aufgabe für nicht zulässig hält.

Das „ökumenische“ Fazit des Abends lieferten schließlich Anna Ott, die darauf hinwies, dass es das „perfekte System“ nicht gebe und Martin Bock, der feststellte, dass „die Mittel schwinden und die Aufgaben wachsen“.

Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke

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Unsere Wochentipps: Musikalische Reise durch neblige Landschaften und Konzert „Gospel and More“

Unsere Wochentipps: Am Samstag, 5. Oktober, beginnt um 10.30 Uhr der Churchtrail vom Kölner Dom aus und lädt zu einer Erkundung der örtlichen Kirchen und der Moschee ein. Am selben Tag um 17 Uhr präsentiert der Chor „New Creation“ in der Christuskirche eine musikalische Reise durch neblige Landschaften. Am Sonntag, 6. Oktober, gibt es den ganzen Tag über Erntedankfeste. Außerdem findet um 11.15 Uhr in der Kirche St. Johannes XXIII. ein Erntedank-Gottesdienst mit der Verabschiedung von Pfarrerin Friederike Fischer statt. Zudem wird um 15 Uhr in der Andreaskirche Schildgen Pfarrer Jürgen Manderla im Rahmen des Erntedankfestes verabschiedet. Das Konzert „Gospel and More“ mit dem Chor „For Heaven’s Sake“ beginnt ebenfalls am Sonntag um 18 Uhr in der Kreuzkirche Horrem. Schließlich lädt das Braunsfelder Forum am Mittwoch, 9. Oktober, um 19 Uhr zu einer Diskussion über „Angriff von Rechtsaußen: Wie bleibt die Demokratie wehrhaft?“ in die Clarenbachkirchengemeinde ein.

05.10.2024, 10:30
Evangelisch Leben in Köln und Region
Kölner Dom, Domkloster 4, 50667 Köln
Churchtrail – der Lauf durch die Kölner Kirchen
Katholische, evangelische Kirchen und die Moschee werden besucht
In diesem Jahr findet der Churchtrail des DJK Sportverbandes am Samstag, 5. Oktober, dem Vortag des Kölnmarathon, statt. Beim Churchtrail kann die Stadt erkundet und Kölner Kirchen kennengelernt werden. Start ist um 10.30 Uhr im Kölner Dom, Domkloster 4. Dort gibt es zur Einstimmung eine Segensfeier gemeinsam mit den Teilnehmenden des Kinderlaufs. Auf die Strecke geht es dann gegen 11 Uhr. Die Laufstrecke ist etwa 9 km lang und führt an und durch Kölner Kirchen und der Moschee vorbei. Vor Ort werden die jeweiligen Besonderheiten der Kirchen durch spirituelle Impulse in den Blick genommen. Am Ende der Strecke an der Sportkirche St. Joseph in Ehrenfeld gibt es für die Läuferinnen und Läufer Getränke, eine kleine Verpflegung und ein Reisesegen für den Heimweg. Das Gepäck kann von einem Wagen der DJK transportiert werden. Die Teilnahme ist kostenlos.
www.djkdvkoeln.de

05.10.2024, 17:00
Evangelische Gemeinde Köln
Christuskirche, Dorothee-Sölle-Platz 1, 50672 Köln
Wolf & I – Eine nordische Erzählung
Eine musikalische Reise durch weite, neblige Landschaften
Am Samstag, 5. Oktober, 17 Uhr, lädt der Chor „New Creation“ zu einer musikalischen Reise durch weite, neblige Landschaften in die Christuskirche, Dorothee-Sölle-Platz 1, ein. Unter der Leitung von Laura Jacobi werden melancholische Melodien, wehmütige A cappella Laute und kraftvolle Gospel Harmonien vorgetragen. „New Creation“ ist der Chor der Katholischen Klinikkirche St. Johannes der Täufer Köln. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht.
www.christuskirche-koeln.de

06.10.2024, 11:15
Evangelische Hoffnungsgemeinde im Kölner Norden
Kirche St. Johannes XXIII., Pariser Platz, 50765 Köln
Gottesdienst mit Verabschiedung von Pfarrerin Friederike Fischer
Es singt der Chor „Terra Nova“
Im Erntedank-Gottesdienst am Sonntag, 6. Oktober, 11.15 Uhr, in der Kirche St. Johannes XXIII., Pariser Platz, wird Pfarrerin Friederike Fischer aus der Evangelischen Hoffnungsgemeinde im Kölner Norden verabschiedet. Seit Dezember 2020 war die Pfarrerin in der Gemeinde tätig. Aus privaten Gründen wechselt sie nach Süddeutschland und tritt dort eine Stelle im Christlichen Jugenddorfwerk Deutschland an. Der Gottesdienst mit anschließendem Empfang wird musikalisch vom Chor „Terra Nova“ gestaltet.
www.hoffnungsgemeinde-koeln.de

06.10.2024, 15:00
Evangelische Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen
Andreaskirche Schildgen, Voiswinkler Straße 40, 51467 Bergisch Gladbach-Schildgen
Verabschiedung Pfarrer Manderla und Erntedankfest
Im Anschluss gibt es einen Empfang
Jürgen Manderla, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen, geht im Herbst in den Ruhestand. Verabschiedet wird er im Gottesdienst am Erntedankfest, Sonntag, 6. Oktober, 15 Uhr, in der Andreaskirche Schildgen, Voiswinkler Straße 40. Pfarrerin Kerstin Herrenbrück entpflichtet Pfarrer Jürgen Manderla. Die Domkantorei sowie Kirchenmusikdirektor Andreas Meisner (Orgel) sorgen für die musikalische Gestaltung. Im Anschluss gibt es einen Empfang im Gemeindesaal mit Grußworten, Kaffee und Kuchen.
www.andreaskirche-schildgen.de

06.10.2024, 18:00
Evangelische Kirchengemeinde Horrem
Kreuzkirche Horrem, Mühlengraben 10 – 14, 50169 Kerpen-Horrem
„Gospel and More“
Konzert mit dem Chor „For Heaven´s Sake“
Zum Konzert „Gospel and More“ mit dem Chor „For Heaven’s Sake“ lädt die Evangelische Kirchengemeinde Horrem am Sonntag, 6. Oktober, 18 Uhr, in die Kreuzkirche Horrem, Mühlengraben 10-14, ein. Im Bergheimer Umland ist der Gospelchor mit seinen etwa 30 Sängerinnen und Sängern ein Begriff für mitreißende Gospels und begeisternde Stimmung. Regelmäßige Gospel-Gottesdienste gehören ebenso zum Jahresprogramm wie Auftritte auf Hochzeiten, Konfirmationen, Festivals, in städtischen Einrichtungen und Kirchen. Sowohl moderne und traditionelle Gospels als auch Spirituals stehen auf dem Programm. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erbeten.
www.kirche-horrem.de

Hier finden Sie die Übersicht zu den Erntedank-Gottesdiensten:

Text: APK
Foto(s): APK/Canva

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