„Alles hat seine Zeit“: Pfarrer Uwe Zimmermann in der Clarenbachkirche entpflichtet
„Es ist der Gottesdienst, in dem ich mich von euch trennen muss. Meine Verabschiedung steht an“, begrüßte Pfarrer Uwe Zimmermann rund 300 Besuchende in der Clarenbachkirche. 36 Jahre und drei Monate versah er in der Evangelischen Clarenbach-Kirchengemeinde Köln-Braunsfeld seinen pfarramtlichen Dienst in verschiedenen Arbeitsfeldern. Nun hat ihn Superintendent Markus Zimmermann entpflichtet. Geprägt war der Gottesdienst von einer eindrücklichen, mitnehmenden Predigt Uwe Zimmermanns. Von einem Kanzelwort mit Essay-Charakter, in dem er facettenreich das naheliegende Thema Abschied auslotete. Breiten Raum nahm ebenso Musik ein. Sie kam mit Gemeindegesang sowie bestechenden Darbietungen von Vox carpentarius, der Kleinen Kantorei und des Posaunenchores zur Geltung.
Im Zentrum des anschließenden Empfangs mit Ansprachen und Musik im Saal und Außenbereich des nahen Fliestedenhauses stand selbstredend der entpflichtete Pfarrer mit seiner Familie an der Seite. Pfarrerin Ulrike Graupner leitete ein. Finanzkirchmeister Dr. Jörg Heyer und Kita-Leiterin Ilka Peters drückten stellvertretend die enorme Wertschätzung der Gemeindeglieder für ihren langjährigen rührigen Seelsorger und Kümmerer aus. Schon vor der Veranstaltung im Gemeindezentrum, das Uwe Zimmermann 2021 mit eingeweiht hatte, war es emotional geworden. Kita-Kinder hatten sich formiert, um ihrem Pfarrer musikalisch zu danken und viel Glück für den Ruhestand zu wünschen: „Wir singen dir ein Abschiedslied (…) Wir sagen tschüss und goodbye, und hoffen, dass du mal an uns denkst.“
„Das ist für mich ein bewegender Moment“
„Alles hat seine Zeit“, stellte Uwe Zimmermann seiner lebendigen Predigt mit nachdenklichen wie heiteren Elementen ein Wort des Predigers Salomo (Kohelet) voran. Die Zeit bleibe nicht stehen, führte der Theologe aus. Sie fließe gleich einem großen Strom, der alles mit sich nehme. „Es gibt kein Halten, kein Festhalten. Nicht einmal das, was uns lieb ist, bleibt. Allenfalls in der Erinnerung lebt es fort, als Bild, als Momentaufnahme.“ Nun sei sie also gekommen, die Zeit zum Abschiednehmen. „Das ist für mich ein bewegender Moment“, bekannte Uwe Zimmermann.
„Zum letzten Mal feiere ich mit euch als Gemeindepfarrer hier den Gottesdienst (…) Zum letzten Mal predige ich, was mir immer sehr wichtig war, von dieser Kanzel aus.“ Als er hier im Juni 1987 als Pfarrer angefangen habe, hätte er sich nie vorstellen können, „dass es eine so lange Zeit werden würde“. Der gebürtige Hesse, der in Wuppertal und Heidelberg studiert und in Jülich sein Vikariat absolviert hat, sprach von „einer Fülle von Erfahrungen und Erlebnissen bei so vielen freudigen und auch traurigen Anlässen – von der Wiege bis zur Bahre“.
„Taufen, Trauungen, Beerdigungen. Menschen zu begleiten, sie anzuhören, das richtige Wort im reichen Schatz der biblischen Tradition hierfür zu finden. Manchmal, wenn ich dann so nachdachte, ging mir durch den Kopf, was für ein schöner und schwieriger Beruf es doch ist, Pfarrer zu sein.“ Dabei begleitet habe ihn das klassisch gewordene Zitat des Theologen Karl Barth: „Wir sind Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sind aber Theologen und sollen von Gott reden.“ Barth habe gemeint, wir sollten beides, unser Nicht-Können und Sollen ernst nehmen und damit letztlich Gott die Ehre geben. Dies beschreibe laut Uwe Zimmermann präzise den Sachverhalt der Person auf der Kanzel. „Du bist Mensch und kannst als solcher nicht von Gott reden. Doch du musst, weil es deine Aufgabe als Pfarrerin oder Pfarrer ist.“ Unter dieser Spannung lebend, sei er seiner Aufgabe jedenfalls gerne nachgekommen.
Verglichen mit dem, wovon Menschen sonst oft Abschied nehmen müssten, nannte er seinen Abschied von dieser Kanzel harmlos. Er erinnerte beispielsweise an die vielen Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungenermaßen ihre Heimat hätten verlassen müssen. Einige von ihnen hätten sich auch in unserem Gemeindegebiet angesiedelt. Er dachte an junge Menschen, die sich von ihren frühzeitig verstorbenen Eltern hätten verabschieden müssen. An die Vielen, die ihren liebsten Menschen verloren hätten, oft ohne richtig Abschied nehmen zu können.
„Ich denke auch an die vielen Pläne und Träume, von denen ich mich verabschieden musste.“ Er sinnierte über all die kleinen und großen Abschiede innerhalb unserer irdischen Zeit. „Immer ändert sich etwas in unserem Leben.“ Immer müssten wir Vertrautes wieder verlassen. „Abschied ist ein bisschen wie sterben“, habe Katja Ebstein gesungen. Verlassen, zurückgewiesen zu werden von einem geliebten Partner sei vielleicht neben dem endgültigen Tod das Schlimmste, was einem Menschen passieren könne.
„Man müsste eigentlich wirklich lernen, abschiedlich zu leben“
Doch Abschiede müssten nicht gleich immer groß und endgültig sein. Und es gebe viele tausend Arten, mit ihnen umzugehen: laut und bunt und grell – und auch leise, senkte Uwe Zimmermann seine Stimme. „Man kann leise weggehen, sich nicht mehr melden, verschwinden.“ Bei der Sterbe- und Trauerbegleitung habe er gelernt, „dass viele Menschen genau dann sterben, wenn sie alleine sind.“ Wenn die Angehörigen, Freunde das Zimmer verlassen hätten, „wenn es still wird, dann geht man leise und alleine“, so Uwe Zimmermann. Unser Leben sei voller Abschiede, von der Geburt als „Urbild aller Abschiede“ bis zum Tod. Dieser sei nur der letzte große unbekannte Meister in einer langen Reihe von Abschieden. Mit „Goodbye my friend, it´s hard to die“ verwies er auf die erste Zeile eines „großen Abschiedsliedes“. „Seasons in the Sun“, gesungen vom Kanadier Terry Jacks, habe 1974 die Charts gestürmt. „Es ist hart zu sterben, mein Freund, wenn es gerade Frühling wird“, übersetzte Uwe Zimmermann. Und er ließ es sich nicht nehmen, die erste Strophe im Original zu singen.
„Man müsste eigentlich wirklich lernen, abschiedlich zu leben“, so der Prediger. Geprägt habe den Begriff die Psychotherapeutin Verena Kast. Sie sage, „der Tod ragt ja andauernd in unser Leben. Da wäre es gut zu lernen loszulassen, zu verzichten, sich voneinander zu trennen. Immer wieder ist das Leben verändert und wir müssen Vertrautes verlassen. Aber wir verlieren nicht nur, wir gewinnen auch.“ Uwe Zimmerman findet „den Gedanken wunderbar, zugleich aber auch wahnsinnig schwierig“. Wer lasse denn schon gerne los. Wer gesteht sich denn gerne ein, dass nichts für die Ewigkeit sei. Die Bibel erzähle viele Abschiedsgeschichten, so der Pfarrer. Dabei falle auf, dass weniger von Trauer oder schweren Herzen die Rede sei, immer aber vom Aufbruch.
Die fetten Jahre seien vorbei, lese er in Zeitungen vom Abschiednehmen vom gewohnten Stil. Auch in unserer Kirche stehe das Abschiednehmen an. Man werde so rasch kleiner wie nie zuvor. Irrigerweise werde auch bei diesen Austritten häufig auf den Kardinal verwiesen, formulierte Uwe Zimmermann. Auch empfindet er das mitunter positiv gedeutete Schrumpfen nicht als einen gesunden Prozess. „Das tut weh. Das tut auch finanziell weh.“
„Zuversicht durch Vertrauen“
Von einer Freundin habe er gelernt, manchen Abschied wortlos passieren zu lassen. Damit nichts zerredet werde. Und es sei vielleicht auch gnädig, dass sich die Endgültigkeit eines Abschiedes erst im Nachhinein herausstelle. „Der biblische Gott ist ein Gott, der mit den Menschen geht“, stellte Uwe Zimmermann fest. „An diese Verbindung möchte ich glauben“, denn dann könne ein abschiedliches Leben gelingen, wünschte er den Zuhörenden auf ihrer Lebensreise „Zuversicht durch Vertrauen“.
„Wir danken Gott für deinen Dienst und Einsatz“, leitete Superintendent Markus Zimmermann den eigentlichen Akt der Entpflichtung ein. Er habe den nun scheidenden Pfarrer erlebt als leidenschaftlichen Kollegen. Anfangs sei Jugendarbeit sein Schwerpunkt gewesen. Der treue Seelsorger und engagierte Ansprechpartner in der Gemeinde habe sich etwa um die Kita gekümmert und lange als Vorsitzender des Presbyteriums gewirkt. Darüber hinaus habe er lange der Verbandsvertretung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region sowie der Pfarrvertretung in der Evangelischen Kirche im Rheinland angehört.
Sehr vieles geschehe im Verborgenen, sagte Markus Zimmermann. Aber sein Namensvetter dürfe sich sicher sein, dass dessen Wirken zahlreiche Früchte getragen habe und weiterhin trage. Er dankte Gott für den Segen, den er auf Uwe Zimmermann gelegt habe. Und er bat für ihn um Mut und heitere Gelassenheit. Die Gemeinde ersuchte der Superintendent, achtsam zu sein. Vor dem Hintergrund, dass die Pfarrstelle nicht wieder besetzt werde, solle sie auf ihre Pfarrerin Ulrike Graupner achten. „Sie kann nicht alles alleine stemmen.“ Der auf die Entpflichtung folgende Applaus endete erst auf eine unmissverständliche Geste Uwe Zimmermanns.
„Die Attraktivität der Pfarrstelle in Köln-Braunsfeld in unmittelbarer Nähe des Müngersdorfer Stadions“ habe ihn einst nach Köln geführt, erinnert er gegenüber kirche-koeln.de. „Das Lebensgefühl in der Stadt mit den beiden Domtürmen gefällt mir bis heute.“ Seine Familie und er hätten sich hier immer sehr wohlgefühlt. Wohlgefühlt „in einer Gemeinde mit vielen Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten“, begründet er seine über 36-jährige Dienstzeit an ein und demselben Ort. Mit welchem Blick auf diese Zeit wechselt er in den Ruhestand? Als Antwort reicht ihm ein Satz: „Bereichert um vielfältige Erfahrungen mit Menschen von der Wiege bis zur Bahre gehe ich voll Dankbarkeit.“
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich
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