Frühe Frauenrechtlerinnen in Köln – Alice Neven Dumont und Else Frank
Die evangelische Alice Neven DuMont und die Jüdin Else Falk kämpften zwischen den Weltkriegen in Köln für bessere Lebensbedingungen der Frauen. Historikerin Irene Franken erforschte die Geschichte der zwei Aktivistinnen.
Rund zwanzig Personen hatten sich eingewählt, um online an dem Frühjahrstreffen des Arbeitskreises Kölner Frauenvereinigungen (AKF) teilzunehmen, das zugleich ein Vortrag in Kooperation mit der Melanchthon-Akademie war. Die Historikerin Irene Franken, Mitbegründerin des Kölner Frauengeschichtsvereins und Alternative Ehrenbürgerin der Stadt, hatte die Lebensgeschichte zweier Kölnerinnen aufgezeichnet, die bislang noch relativ unerforscht sind, obwohl sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts beide in exponierter Stellung die sozialen Entwicklungen mit geprägt haben. Die Rede ist von Alice Neven DuMont und Else Falk. Die protestantische Verlegergattin und die jüdische Ehefrau eines Juristen und Politikers leiteten zwischen 1919 und 1933 gemeinsam den Stadtverband Kölner Frauenvereine.
„Leider sind von beiden Frauen keine Ego-Dokumente bekannt, also Texte, die sie selbst verfasst haben, die Auskunft über ihr Denken und Fühlen, über Freude und Leid, über wichtige Entscheidungen Auskunft geben könnten. Daher kann ich die Persönlichkeiten nur auf der Ebene ihrer Handlungen und zum Teil im Zusammengehen mit ihren Ehemännern zeigen“, stellte Historikerin Franken ihren Ausführungen voran. Sozial orientiert waren beide und hatten einen Blick für das Schicksal derer, die in weniger günstigen Umständen lebten als sie selbst.
Zwei Töchter aus wohlhabendem Bürgertum
Gemeinsam ist Else Falk und Alice Neven DuMont, dass sie in bürgerlichen Verhältnissen aufwuchsen – die eine in Wuppertal-Barmen, die andere auf der Kölner Severinstraße. Als verheiratete Frauen waren schließlich beide in Köln ansässig und engagiert. Die Verlegergattin war durch ihren Mann dem konservativen Umfeld der Nationalliberalen Partei (NLP) nahe, stand aber gleichzeitig für eine liberale, weder konfessionell noch parteipolitisch geprägte Frauenbewegung. 1909 war sie an der Gründung des Stadtverbandes Kölner Frauenvereine beteiligt. Die Vereine, die unter seinem Dach versammelt waren, brachten Frauen aus Wirtschaft, Kultur und Bildung zusammen.
Auch das Umfeld von Else Falk kann man sich bürgerlich vorstellen, wenngleich sie und ihre Familie als Juden mit offener Diskriminierung leben mussten: „Ein Unterschied zu der Kindheit von Alice war, dass es damals massiven gesellschaftlichen Antisemitismus gab, greifbar etwa als Wohnortbeschränkung für Juden. Wo die reichen Barmer ihre Villen errichteten, waren Juden nicht erwünscht. Auch der Barmer Tennisclub war ausschließlich nichtjüdischen Mitgliedern vorbehalten“, berichtet die Historikerin. Sie und ihr Mann, beide nicht streng praktizierend, hatten in Köln allerdings einen Weg gefunden, damit umzugehen: „Das Paar gehörten zu den ‚assimilierten‘ Juden. Ihr Bestreben war, gut in Deutschland leben zu können. Auswanderungsbestrebungen hatten sie nicht, und der in Köln anwachsende Zionismus lag ihnen fern.“
Offener Antisemitismus – lange vor der NS-Zeit
Zu den Zielen, für die Else Falk bereits in jungen Jahren eintrat, gehörte die Bildungsreform für Mädchen und Frauen, da ihnen im Kaiserreich der Besuch von Gymnasien genauso wie das Studium an Universitäten verwehrt war. Ebenso wie Neven DuMont stand auch Else Falks Mann für die NLP, kritisierte jedoch deren elitäre und antisemitische Tendenzen, so Historikerin Franken, die eine Textpassage zitierte, laut welcher Bernhard Falk „großkapitalistische Strömungen in der Partei“ als „Gefahr für den Staat“ anprangerte. Unvorstellbar aus heutiger Sicht, wie ungeniert die anti-jüdische Gesinnung in der Nationalliberalen Partei damals gelebt wurde: „Im Handbuch der Nationalliberalen Partei war es 1912 möglich, sich mit dem Kürzel ‚A.‘ offen als Antisemit auszuweisen“, berichtet Franken.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 erlebte die Frauenbewegung zunächst einen Dämpfer – auch in Köln. Statt für die Emanzipation zu streiten, strickten die Damen für Soldaten Strümpfe und Sturmhauben. Doch bereits 1918 kam das aktive und passive Wahlrecht, was, so die Referentin, viele Frauenrechtlerinnen geradezu beflügelt habe. Ein Jahr später begann dann die Zusammenarbeit von Falk und Neven DuMont, die sich in den Zwischenkriegsjahren für viele soziale Projekte einsetzten.
Vielfältiger Einsatz für die Belange der Kölnerinnen
Mit der Leitung des Stadtverbandes Kölner Frauenvereine standen sie für zeitweise bis zu 50 Vereine von Kölnerinnen, die für die unterschiedlichsten Anliegen eintraten. Ein wesentliches Augenmerk lag auf der Stärkung von Müttern, etwa durch Vorläufer des Müttergenesungswerkes mit Tagesausflügen in die grüneren Gebiete am Stadtrand oder durch das Projekt „GOA“, Gaststätten ohne Alkohol: Dieses diente Familien insofern, als der Alkoholismus von Männern ein großes Problem für zahlreiche Arbeiterfamilien darstellte. Andere Ziele waren geringere Strafen im Falle von Abtreibung, die Errichtung von Wohnhäusern für alleinstehende Frauen, die infolge der vielen Kriegstoten keine Aussicht auf Verheiratung hatten, der Einsatz weiblicher Polizistinnen, Rundfunksendungen für Frauen, Rüstungsfragen und die Förderung von Künstlerinnen.
Eine Institution aus jener Zeit, die sich bis heute gehalten hat, ist zum Beispiel „Das Lädchen“ in der Neven-DuMont-Straße: ein kleiner Antiquitätenladen, den 1922 der „Frauenverein für Verkaufsvermittlung von Wertgegenständen aus Privatbesitz“ gründete, um verarmten Menschen während der Inflation dabei zu helfen, die eigene Existenz durch einen fairen Verkauf ihrer Besitztümer zu sichern.
Unempathischer Abschied zum Beginn der Nazi-Zeit
Zum abrupten Ende des erfolgreichen Frauen-Teams kam es 1933, als die NSDAP auch in Köln die stärkste Partei wurde. Nur wenige Tage danach trat Else Falk von allen ihren Vorstandsfunktionen zurück und opferte ihren Posten, um die Früchte ihrer Arbeit zu schützen, mutmaßt Irene Franken: „Sie sah keine Chance, anders ihre Gründungen, wie die Müttererholung oder auch die GOA, zu retten.“ Die Reaktion der langjährigen Mitstreiterin Alice Neven DuMont sei verhalten gewesen, bedauert die Historikerin: „In einem ersten Schreiben vom 22.3. an den Vorstand heißt es wenig emphatisch: ‚Frau Falk hat heute ihr Amt als 1. Vorsitzende des Stadtverbandes Kölner Frauenvereine niedergelegt. Ich lade Sie zu einer Besprechung ein.‘ Es seien neben der Neuorganisation wichtige persönliche Fragen zu besprechen. Die Vorsitzenden der Untervereine und Einzelmitglieder erhielten sechs Tage später die Information: ‚Zu unserem größten Bedauern hat Frau Else Falk ihr Amt als 1. Vorsitzende niedergelegt. Wir hoffen, daß Sie (also die Vereinsmitglieder) uns auch fernerhin die Treue halten und mit uns am Wiederaufbau Deutschlands arbeiten.‘ Das war alles. Mehr Versuche, Else Falk zu halten, zu ehren oder die Bestimmung zu diskutieren, gab es nicht. Dagegen eine Andeutung, sich mit dem neuen System arrangieren zu wollen.“
Ungleich verbrachten die ehemaligen Vorstandskolleginnen die Kriegsjahre: Während Else Falk mit ihrem Mann aus Deutschland floh, hatte Alice Neven DuMont die Möglichkeit, den Krieg zumindest teilweise im idyllischen Umfeld des Starnberger Sees zu verbringen. Eine Begegnung der beiden gab es viele Jahre später noch einmal: 1952 hatten Kölner Honoratioren Else Falk, die mittlerweile in Brasilien lebte, zu einem Besuch in die Stadt eingeladen.
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Text: Johanna Tüntsch
Foto(s): Johanna Tüntsch, Irene Franken
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