Häusliche Unterstützungsdienste: Demenzinitiativen in Köln bestehen seit 20 Jahren

Häusliche Unterstützung für Angehörige von Menschen mit Demenz: Seit 20 Jahren gibt es in Köln häusliche Unterstützungsdienste, sogenannte „Demenzinitiativen“. Sie schulen und begleiten Menschen, die Menschen mit Demenz zu Hause zu besuchen. Das Projekt TANDEm unterstützt pflegende An- und Zugehörige von Menschen mit Demenz im Kölner Stadtbezirk 5: Nippes, Mauenheim, Riehl, Niehl, Weidenpesch, Longerich und Bilderstöckchen.

„Wir informieren und beraten rund um das Thema Demenz. Wir werben und schulen Freiwillige, die durch unsere Vermittlung Menschen mit Demenz zu Hause besuchen und Zeit mit ihnen verbringen“, erklärt Katharina Regenbrecht,  Koordinatorin TANDEm, Diakonisches Werk Köln und Region gGmbH. „Grundlage unserer Arbeit ist immer die Frage, was dem erkrankten Menschen guttut und was die Angehörigen entlastet. Wir bieten in diesen oft anstrengenden und schwierigen familiären Situationen Unterstützung, so dass Freude und Lachen wieder möglich sind.“

Für die Freiwilligen ist vorab die Teilnahme an der qualifizierten Ausbildung verpflichtend. Fortlaufend wird ihr weiteres Engagement durch Erfahrungsaustausch, Supervision und regelmäßige Fortbildungen unterstützt. Zahlreiche Helfende unterstützen TANDEm schon seit vielen Jahren, sie bleiben durchschnittlich drei Jahre aktiv.

Ein Gespräch mit Katharina Regenbrecht:

Was hat sich im Laufe der 20 Jahre verändert?

Katharina Regenbrecht: Das Thema „Demenz“ ist nach wie vor brisant in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, aber die Sichtweise darauf hat sich sehr verändert – und auch die Angebotslandschaft hat sich verändert. Da ist sehr viel gewachsen. Wir stellen fest, dass die Landschaft sehr bunt und vielfältig geworden ist. So sind beispielsweise  Stellen für Alleinstehende oder für Menschen, die jung erkrankt sind, dazu gekommen. Im Jahr 2002 gab es die ersten Besuche von Tandem. Mittlerweile gibt es neun Unterstützungsdienste in Stadtbezirk. Wir haben im Laufe der Jahre Hunderte von Helfenden geschult (s. Grafik). Durch uns wird die Thematik in Köln gestreut, sensibilisiert und über Demenz und Hilfestellungen aufgeklärt. Unsere freiwillig Helfenden, viele davon über Jahre treu, sind wichtige MultiplikatorInnen für uns. Die Zusammenarbeit untereinander hat sich wunderbar entwickelt. Die vielen Teams, die ich miteinander „verkuppelt“ habe, sind oft sehr lange miteinander verbunden. Das finde ich einen Kernaspekt des Jobs. Es gibt Menschen, die seit sechs, sieben Jahren dabei sind. Manche Angehörige sagen: „Mein Mann ist schon lange tot, aber ich treffe mich weiter regelmäßig mit den freiwillig Helfenden.“ Der Beziehungsaspekt ist eben besonders wichtig. Wir haben früher Ehrenamtler gesagt, jetzt freiwillig Helfende – das ist ein Unterschied. Denn dieser Austausch ist nichts einseitiges.

Wie wird die Arbeit finanziert?

Katharina Regenbrecht: Die Stadt Köln finanziert diese Stellen. Ich finde es großartig und zu würdigen, dass es in unserer Stadt so etwas gibt, um das Thema „Teilhabe“ weiter voranzutreiben: Menschen mit Demenz gehören zu uns in die Mitte der Gesellschaft. Das Thema „Inklusion“ ist immer weiter gewachsen.

Warum sind Demenzinitiativen so wichtig?

Katharina Regenbrecht: Es ist für alle Menschen eine Herausforderung, wenn die Symptome einer Demenz auftreten. Die meisten Menschen werden ja zu Hause versorgt und gepflegt. Ich möchte betonen: Demenz bedeutet nicht gleich, dass das Leben vorbei ist! Viele haben Angst vor der Erkrankung, die will niemand haben. Wir versuchen aufzuklären: Was kann ich aktiv gestalten? Wie damit umgehen, wenn die Diagnose kommt? Was wollen wir vielleicht noch erleben, bevor es zu schwierig wird? Suchen Sie sich Hilfe, nutzen Sie neue soziale Netzwerke! Identität ist eine wichtige Säule eines Menschen – diese löst sich bei Menschen mit Demenz auf. Und wir versuchen diesen Aspekt ressourcenstärkend zu erhalten.

Was sind die Ziele?

Katharina Regenbrecht: Wir möchten die Sicht auf Menschen mit Demenz positiv verändern. Menschen mit Demenz verdienen Respekt, verdienen auch Respekt für ihr gelebtes Leben. Manche Menschen haben eine sehr starre Vorstellung davon, wie ein Mensch zu sein hat und wie Menschen mit Demenz angeblich sind. Sie sagen: „Demente sind ja immer so tüddelig und reden mit sich selbst.“ Das stimmt nicht! Jeder ist anders! Hinter jedem Menschen steckt eine ganze Lebensgeschichte!  Wir möchten Berührungsängste abbauen. Vernetzung als eine große Resilienzsäule ist enorm wichtig: Zusammen ist man weniger allein. Wir möchten die Menschen zu ermutigen, sich Hilfe zu holen und auf Neues einzulassen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Katharina Regenbrecht: Menschen mit und ohne Demenz zusammenzubringen – mit Cafés mit Stammtischen für Menschen mit und ohne Demenz, mit Konzerten für Menschen mit und ohne Demenz, mit Sportvereinen für Menschen mit und ohne Demenz.

Auf der Jubiläumsfeier hatten Sie einen Demenz-Parcours. Was macht man dabei?

Katharina Regenbrecht: Der Demenz-Parcours wurde vom Demenzservicezentrum im Bergischen entwickelt. Die häuslichen Unterstützungsdienste haben den Parcours gekauft und setzen ihn für die freiwillig Helfenden, Angehörigen oder auf Festivitäten ein. Beispielsweise muss man an einer Station Glasperlen in Schüsseln löffeln. Allerdings sieht man die Teller nur im Spiegel. Oder man muss Knöpfe mit Arbeitshandschuhen zuknöpfen. Ein Mensch daneben stoppt die Zeit und erzeugt somit einen Druck von außen. Der Demenz-Parcours ist eine gute Möglichkeit, um sich in Menschen mit Demenz hineinzufühlen: Wie ist das, wenn ich Demenz habe? Wenn mein räumliches Empfinden anders wird? Wenn ich Dinge nicht mehr so wie früher beurteilen kann? Wie gehe ich damit um? Werde ich dann sauer? Demenz hat ganz viel mit Gefühlen und Bedürfnissen zu tun. Wenn man das selbst erlebt, versteht man das ganz anders.

Zitat einer Angehörigen

„Liebe Katharina, ich wollte mich nochmal ganz herzlich bedanken für Deine so persönliche und schnelle Hilfe und Vermittlung. Anna* war am Montag ja schon da und Michael war danach ganz gelöst und begeistert, wie gut, selbstverständlich und unkompliziert die beiden zueinander gefunden haben. Das hat mich sehr gerührt. Also – auch im Namen von Michael* Dank an Dich – wie gut, dass es so eine Initiative gibt für die betroffenen Familien“, sagt Brigitte*.

Informationen zur Arbeit der häuslichen Unterstützungsdienste

In Köln leben ca. 20.000 Menschen mit Demenz, Tendenz steigend. Ihnen sollen die häuslichen Unterstützungsdienste soziale Teilhabe ermöglichen, ihre Lebenssituation verbessern und das Leben im eigenen Wohnumfeld möglichst lange unterstützen. Pflegende und versorgende Angehörige können durch die Dienste entlastet und gestärkt werden. Die Dienste bieten regelmäßige, meist zwei- bis dreistündige Besuche bei Menschen mit Demenz durch geschulte freiwillige Helfenden, die anderen Menschen etwas ihrer Zeit schenken möchten und ein sinnstiftendes Engagement suchen. Eine Fachkraft übernimmt die Koordination, Beratung und Begleitung der Angehörigen und der freiwillig Engagierten. Außerdem informieren und beraten die Dienste rund um das Thema Demenz und koordinieren die Vernetzungsarbeit zum Thema Demenz auf Bezirksebene in den Kölner Demenznetzen.

TANDEm – Häusliche Unterstützung für Angehörige von Menschen mit Demenz

Das Projekt TANDEm unterstützt pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz in Köln. Um pflegenden Angehörigen im Betreuungsalltag etwas freie Zeit zu ermöglichen, werden geschulten Helfenden vermittelt, die stundenweise zu Hause entlasten. Diese sind Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen, die den Menschen mit Demenz zuhören, vorlesen, Nähe vermitteln oder einfach nur da sind. Um eine fachlich gute Arbeit zu leisten, wird ein großer Wert auf eine qualifizierte Ausbildung der freiwilligen Helfenden gelegt.

Informationen zu allen Unterstützungsdiensten in den Kölner Stadtbezirken: www.koeln-freiwillig.de/demenz/

*Namen des Ehepaares und der freiwilligen Helferin geändert

Text: Frauke Komander
Foto(s): APK

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