„Rassismus (-kritik) in Schule und Gesellschaft“ Schulpolitischer Aschermittwoch mit Professor Dr. Karim Fereidooni im Haus der Evangelischen Kirche
„Ich freue mich, dass Sie sich durch die Pandemie nicht haben abhalten lassen, an unserem jährlichen ,Schulpolitischen Aschermittwoch‘ teilzunehmen. Herzlich willkommen!“, begrüßte Stadtsuperintendent Bernhard Seiger Schulleiterinnen und Schulleiter aller Schulformen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Bezirksregierung, der Evangelischen Kirche im Rheinland und des Vorstands des Evangelischen Kirchenverbandes Köln.
Rassismus (-kritik) in Schule und Gesellschaft
„Rassismus (-kritik) in Schule und Gesellschaft“ war das Thema der digitalen Veranstaltung. Seiger zitierte aus dem Grundgesetz: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Das Wort Rasse ist in diesem Zusammenhang mindestens umstritten. „Nun wissen wir inzwischen, dass die überkommenen Vorstellungen und die Rede von Menschenrassen keine biologische, noch sonst eine naturwissenschaftliche Basis haben. Der Bundestag hat darauf reagiert. Es wird in verschiedenen Fraktionen daran gearbeitet, das Grundgesetz in diesem Artikel zu ändern.“
Die Evangelische Kirche sehe sich verpflichtet, an dieser Diskussion teilzunehmen. Die Kirche habe sich Ereignisse vorzuwerfen, bei denen sie von rassistisch motivierten Vorstellungen angetrieben gehandelt habe. Mission sei ein Stichwort. Der Stadtsuperintendent zitierte den Apostel Paulus: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ Und fuhr fort: „Eine Gemeinschaft zwischen Menschen ohne ein ,Oben und Unten‘, ohne Abwertung anderer. Ein revolutionärer Traum, schon 2000 Jahre alt. Wir sind immer noch aufgerufen, ihn zu realisieren.“
Professor Dr. Karim Fereidooni
Als Referenten hatte man Professor Dr. Karim Fereidooni gewinnen können. Er ist Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Rassismuskritik in pädagogischen Institutionen, Schulforschung und politische Bildung in der Migrationsgesellschaft und diversitätssensible Bildung von Lehrerinnen und Lehrern.
Zu Beginn ging Fereidooni auf den Alltagsrassismus ein. Befragungen hätten ergeben, dass in Deutschland 12,8 Prozent der Menschen der Aussage „Die Weißen sind zu Recht führend in der Welt“ zustimmen. 22,6 Prozent sind der Meinung, dass Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden sollte, 47,1 Prozent glauben, dass es in Deutschland zu viele Ausländer gebe. Oft erlebt Fereidooni bei Fortbildungsveranstaltungen sehr engagierte Menschen. Die wollten rassismuskritisch sein, um anderen Menschen zu helfen.
Rassistisch zu sein erlerne man ab dem Alter von drei Jahren
Rassismuskritik sollte man nicht betreiben, um anderen zu helfen, so der Professor. „Das eigene Wohlergehen soll im Vordergrund stehen.“ Rassismus finde sich in allen Schichten der Gesellschaft. Und nicht nur bei denen, die man landläufig als Abgehängte bezeichne. „Sogar Kinder besitzen rassistisches Wissen.“ Studien hätten ergeben, dass Kinder im Alter von drei Jahren wüssten, dass Männer mehr Macht haben als Frauen. Und sie wüssten, wer aussieht, als hätte er mehr Macht und wer aussieht, als hätte er weniger Macht. „Und das spielen die auch durch in ihren Rollenspielen.“
Rassistisch zu sein erlerne man ab dem Alter von drei Jahren. Rassismus sei eine spezielle „Spielart“ von Diskriminierung, die einer Herkunft zugeschrieben und abgewertet werde. „Häufig wird mir erzählt: Ich als weiß-deutscher Mann, der von München nach Hamburg gezogen ist, erfahre jeden Tag Rassismus. Ich sage dann: Haben Sie als weißer Mann, der von München nach Hamburg gezogen ist, das Gefühl, über 500 Jahre als eigene Rasse konstruiert worden zu sein und systematisch ausgeschlossen wurden von wichtigen gesellschaftlichen Teilbereichen wie Wohnungs-, Arbeits- und Bildungsbereich?“ Da gehe es doch wohl eher um situative Erfahrungen.
Rassismus eine Erfindung des Zeitalters der Aufklärung
„Rassismus gibt es nicht schon immer. Er ist eine Erfindung eines bestimmten Zeitalters. Nämlich des Zeitalters der Aufklärung. Das überrascht jetzt, weil doch damals die allgemeinen Menschenrechte deklariert wurden. Das Zeitalter der Aufklärung war auch das Zeitalter der Kolonialisierung Afrikas. Man kann nicht sagen, alle sind gleich und frei und gleichzeitig Menschen versklaven. Das geht nur, indem man sich eines Tricks bedient. Dieser Trick war: Wir sind alle gleich und frei, aber weiße Menschen rangieren über schwarzen Menschen.“ Kant und Hegel seien Vertreter dieses Denkens. Es gebe die klassische Form von Rassismus, die hierarchisch unterscheide zwischen unterschiedlichen biologischen Rassen und die von der Überlegenheit der weißen Rasse ausgehe.
Rassismus im Klassenzimmer
Es gebe aber auch den Kulturrassismus. Der offenbare sich etwa in Klassenzimmern, wenn Lehrerinnen dächten, muslimische Schüler würden sie als Frau nicht ernst nehmen. „Das ist viel salonfähiger als der klassische biologistische Rassismus.“ Oder: „Ich weiß gar nicht, ob meine geflüchteten Schüler begreifen, was Demokratie ist. Denn da, wo die herkommen, gibt es ja keine Demokratie.“ Rassismus im Klassenzimmer offenbare sich, wenn Schülerinnen und Schüler als nicht-deutsch kategorisiert würden. „Harun macht seine Hausaufgaben nicht. Na klar, der hat Migrationshintergrund“, sei ein klassischer Satz. „Kindern wird Gewalt angetan im Laufe ihrer Schulzeit. Die Gewalt heißt Rassismus.“
Aber auch Lehrerinnen und Lehrern sei Gewalt angetan worden, weil sie Bilder über Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund im Kopf hätten. Nur glaubten sie von sich, sie hätten mit Rassismus nichts zu tun. Man sehe Hautfarben, weil der Rassismus dieses Sehen erfunden und in Wissen verwandelt habe. Weiß sein bedeute, dass man die Wahl habe, sich mit Rassismus auseinanderzusetzen. Und wenn man von Polizistinnen und Polizisten auf der Straße angehalten werde, könne man sicher sein, dass die Hautfarbe keine Rolle spiele. Und man könne, wenn man denn wolle, sein Leben so arrangieren, dass man die meiste Zeit mit Leuten der gleichen Hautfarbe verbringt.
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann
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