Stadtsuperintendent pfeift im Dom den Gottesdienst zur Fußball-EM an
Dass ein Gottesdienst mit einer sozusagen amtlichen Schiedsrichterpfeife angepfiffen wird, erlebt man auch nicht alle Tage. So geschehen beim ökumenischen Gottesdienst zur Fußball-Europameisterschaft im Kölner Dom mit Stadtsuperintendent Bernhard Seiger und Stadtdechant Monsignore Robert Kleine. Beide schritten vor den Altar, Seiger legte einen Ball auf den Boden, Anpfiff – und die Orgel übernahm.
„In den nächsten Wochen geht es um das, was auf dem Feld passiert, mit den Mannschaften, die berufen sind. Die Mannschaften und all das, was auf dem Spielfeld passiert, sorgen für Spannung und Freude – oder Drama und Tragik“, sagte Seiger. Die Fans seien eminent wichtig. Und: „Die Hymnen sind im Stadion genauso wichtig wie im Dom und allen unseren Kirchen. Wir singen und lassen uns mitreißen. Wir wissen, die Hymnen haben andere vor uns gesungen, und wir selber auch schon, und sie geben Halt und Trost.“
Die deutsche Nationalhymne sei ein Zeugnis nationalen Zusammenhalts und der guten Werte der Demokratie: Einigkeit und Recht und Freiheit. Sogar im Kindergarten der Bayenthaler Gemeinde, in der Seiger Pfarrer ist, singen die Kinder die Hymne. „Aber sie hören eben auch die schottische Hymne. Sie klingt majestätisch und schwungvoll. Sie haben verstanden, was ein Dudelsack als typisches Instrument dabei macht. Das heißt: Ich kann mein Land lieben und das andere Land achten und mich ein Stück einfühlen.“
Gott habe die Menschen verschieden geschaffen und die Eigenheit der anderen gelte es mit Offenheit aufzunehmen und zu achten. Im Dom gespielt wurde auch die Hymne des FC Liverpool und Borussia Dortmunds. „You’ll never walk alone. Du gehst nicht allein. Andere gehen mit und Gott geht mit.“ Das Lied sei faszinierend, weil es Gefühle auslöse. „Es spricht uns zu: Du bist nicht allein. Die Gemeinschaft trägt. Wir können uns gegenseitig Mut machen. Und wenn wir Niederlagen erleiden, das ist so, das wird auch immer wieder so sein, manches wird nicht klappen, dann können wir diese Niederlagen gemeinsam tragen, um dann wieder gemeinsam aufzustehen. Und so kann man erfolgreich sein.“
Sport helfe, Fairness zu lernen, er schaffe Begegnung, Freude und Glücksgefühle. „Er ist ein wunderbares Mittel gegen Einsamkeit.“ Man könne sich auf die Treue der Fans zu ihren Mannschaften freuen. „Ich bin sicher, Gott freut sich mit, wenn wir einander die Freude gönnen!“
„Wie schön ist es, wenn Fußball-Fans in Frieden zusammenleben“
Kleine bezog sich auf das Markusevangelium: „Bevor Jesus erstmals öffentlich in Erscheinung tritt, sucht er sich Leute, mit denen er gemeinsame Sache machen kann. Er bildet eine Mannschaft. Jesus ist nicht als Solist unterwegs. Er ruft, beruft Jünger. Insgesamt zwölf.“ Bei einem gemeinsamen Ziel sei es sinnvoll, dass verschiedene Menschen gut zusammenarbeiteten. „Wir kennen das: Wenn wir etwas Großes erreichen wollen, brauchen wir zuallererst Freunde, Kolleginnen, Mitstreiter. Klar können wir es auch solo, allein versuchen: Kopf zwischen die Schultern, Ellenbogen raus. Kurzfristig kann man so auch Erfolg haben. Im Zweifelsfall genau so lange, bis einer kommt, der besser ist oder kräftiger.“
Auch die Apostel seien sehr verschieden gewesen. Aber sie hätten sich auf ein gemeinsames Ziel verständigt: „Wenn sich Menschen mit Stärken und Schwächen, Talenten und Defiziten ergänzen und ein Team bilden. Wenn keiner allein groß herauskommen will als Einzelkämpfer, der nicht abspielen kann, sondern so gut wie möglich die Gemeinschaft, die Mannschaft gemeinsam das Ziel erreichen will, unterstützt. So betrachtet ist der christliche Glaube ein Mannschaftssport – wie der Fußball.“
Wer hinter den Vorhang des Leistungssports schaue, erlebe Menschen wie du und ich. Idole würden sie durch ihre Leistungen. „Fußball ist unser Leben – sang die Nationalmannschaft vor genau 50 Jahren. Wo Fußball Beruf ist, stimmt das vordergründig. Aber unser Leben ist mehr als Fußball. Gerade, wer im Spitzensport früh Erfolge feiert, merkt bald, dass Geld, Medaillen und Pokale allein noch kein erfülltes Leben garantieren. Und wer bittere Niederlagen durchleiden muss und dabei von der Öffentlichkeit scharf kritisiert wird, der fragt stärker als andere nach einem festen Halt im Leben. Hier kann der Glaube einen solchen Halt schenken.“ Auch und vor allem bei bitteren Niederlagen.
Kleine wünschte sich eine friedliche EM, bei der nicht das Anfeuern des eigenen Teams im Vordergrund steht, sondern das interessante und bereichernde Zusammensein mit Menschen, „die anders denken und fühlen als wir“. „Mit dieser Einstellung beweisen wir Gottes Liebe und Macht, die solidarische Gemeinschaft schafft, und dann verwirklichen wir, was Psalm 133,1 beschreibt: ,Wie schön ist es, wenn Brüder und Schwestern, und mit Blick auf diese Tage: Wie schön ist es, wenn Fußball-Fans in Frieden zusammenleben.’“
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann
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