Energiewende im rheinischen Revier ist auf dem Weg – Podiumsdiskussion in der Friedenskirche in Bedburg
„Jeder muss Verantwortung für seine Steckdose übernehmen.“ – Diese Aussage war eine der zentralen Forderungen bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Alternative Energien – Wie geht regionale Energieerzeugung?“ am Donnerstagabend im Evangelischen Gemeindezentrum der Friedenskirche in Bedburg. Die Zahl der Gäste vor Ort war virenbedingt überschaubar, jedoch nah am räumlichen Limit des Saales. Gleichzeitig konnten Zuschauerinnen und Zuschauer den Abend und die Diskussionen live im Video auf Facebook verfolgen.
Auch Stadtsuperintendent Bernhard Seiger und Superintendent Markus Zimmermann hatten es sich nicht nehmen lassen, nach Bedburg zu kommen. Moderator Sammy Wintersohl begrüßte Marie-Luise Schaller, Projektkoordinatorin für Innovations- und Strukturwandelprojekte im Zukunftsgebiet Energie und Industrie bei der Zukunftsagentur Rheinisches Revier, Sascha Solbach, Bürgermeister von Bedburg, Jens Edler-Krupp, Leiter Onshore Wind Deutschland bei RWE Renewables, Ulrich Bemman, Leiter Erneuerbare Energien bei der Rheinenergie AG, und Gebhard Müller, seit fast 20 Jahren Pfarrer an der Friedenskirche.
In ihrem Eingangsstatement verwies Marie-Luise Schaller auf zahlreiche Projekte im Energiebereich, die von der Zukunftsagentur angestoßen wurden. „Bedburg ist sehr bekannt mit dem Windpark auf der Königshovener Höhe. Das sind Gemeinschaftsprojekte mit großen Firmen. In kleineren Projekten tun sich Bürger zusammen, und wichtig ist, Energie aus verschiedenen Quellen intelligent, smart zu nutzen: Intelligente Netze auch im privaten Bereich. Aber auch alte und neue Gewerbegebiete können smart gebaut oder umgewandelt werden.“ Schaller erinnerte an das Gigawatt-Konto aus erneuerbaren Energien im rheinischen Revier. Jeder sei aufgerufen, auf dieses Konto einzuzahlen.
Solbach nannte Bedburg als die Stadt mit den anteilmäßig meisten RWE-Mitarbeitern von 21 Anrainer-Kommunen. „Wir haben deshalb besonders schnell und besonders heftig den Auftrag, zu zeigen, dass der Wandel möglich ist. Wir brauchen Blaupausen und müssen den Menschen auch Ängste nehmen.“ Der Windpark sei schon beschlossen worden, als er 2014 erstmals Bürgermeister wurde. Jetzt gelte es, diesen Park für die Stadt zu nutzen. Es sei nicht genug, den Strom aus den Windrädern ins überregionale Netz zu einzuspeisen. Es gehe um die lokale Nutzung. Der Bürgermeister sieht seine Stadt auf einem guten Weg. Vor drei Jahren habe man die erste Brennstoffzellensiedlung eröffnet. Jetzt plane man eine Siedlung, die an 365 Tagen im Jahr ausschließlich mit Strom aus dem Windpark versorgt werden soll.
Die Menschen sollen ressourcenschonend bauen. Das wird vertraglich festgelegt. „Wir wollen zeigen, dass das auch wirtschaftlich darstellbar ist“, verliert Solbach auch die ökonomischen Zwänge nicht aus dem Blick. Auf der Königshovener Höhe will er in Zukunft „grünen Wasserstoff“ produzieren. Der könnte dann auch Energie liefern für den Mobilitätssektor. „Wenn grüner Wasserstoff die Braunkohle der Zukunft wird, schaffen wir für die Menschen hier Perspektiven und Arbeitsplätze. Unsere Region hat die Energie DNA und wir haben jede Menge hochqualifizierte Leute.“ Wenn die Energiewende in der Region gelinge, werde das ausstrahlen in die Republik.
Jens Edler-Krupp nannte die Energiewende ein mittel- bis langfristiges Projekt. Es gehe immer darum, die regionale Versorgung zu sichern. Gleichzeitig müsse jedes Unternehmen, um zu überleben, darauf bedacht sein, Geld zu verdienen. Der Leiter Onshore Wind Deutschland bei RWE Renewables hofft auf den Mut vieler, neue Konzepte in kleinen Schritten umzusetzen. Als Beispiel nannte er die schon angesprochene ressourcenschonende Siedlung in Bedburg. Ulrich Bemman wies darauf hin, dass das rheinische Revier weiterhin eine wichtige Energieversorgungsregion für Metropolen wie Köln und Düsseldorf bleiben sollte. Zwar könne man in den Städten noch mehr Photovoltaik-Anlagen auf Dächer setzen. Aber dort sei der Platz endlich.
An den biblischen Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, erinnerte Pfarrer Müller. Aufgabe der Kirchengemeinde müsse sein, Bewusstsein zu verändern. Der Pfarrer forderte plakativ: „Jeder muss Verantwortung für seine Steckdose übernehmen.“ Bürgermeister Solbach erzählte, dass es viele Interessenten für die 130 Grundstücke in der ressourcenschonenden Siedlung gegeben habe. Deren Strombedarf werde zu 100 Prozent aus Erneuerbarem gedeckt. Solbach verwies auf den KfW-Wert, der vorgegeben sei. Standard sei ein Wert von 55, in der ressourcenschonenden Siedlung werde man 40 erreichen. Der KfW-Wert ist ein Maßstab für die Energie-Effizienz eines Hauses. Je niedriger er liegt, umso effizienter wurde gebaut.
Jens Edler-Krupp war wichtig, dass die Energiepreise in besagter Siedlung nicht höher sind als der Grundtarif. Das hat Solbach im Blick: „Die Vermarktung der Grundstücke läuft gut.“ Bemman ging ein auf den Begriff „energieeffiziente Quartiere“. „Das können Siedlungen sein, aber auch Gewerbegebiete.“ Man könne Quartiere als geschlossene Systeme betrachten, in denen die überflüssige Abwärme eines Akteurs zum Heizen bei einem anderen Akteur genutzt werde. „Man muss natürlich gucken, dass das volkswirtschaftlich sinnvoll ist.“ Edler-Krupp nannte synthetische Kraftstoffe als einen Weg, die Mobilitätswende anzugehen. Als weiteres Beispiel zählte er Wasserstoffzüge auf, die bereits in Niedersachsen führen.
Marie-Luise Schaller warb weiter für die Verbindung von Energiebereichen. „Aus überzähliger Windkraft könnte man Wasserstoff für Busse erzeugen.“ Windkraft habe mit dem Problem zu kämpfen, dass die Stromnetze nicht beliebig ausbaubar seien. Im rheinischen Revier seien die Netze traditionell gut ausgebaut. Edler-Krupp verwies auf Schleswig-Holstein. „Immer, wenn die Netze überlastet sind mit Windkraft, werden die Anlagen abgeschaltet. Vor allem bei Starkwind. Im Norden stehen manche Anlagen 60 Prozent der Zeit still.“ Da habe das rheinische Revier einen entscheidenden Standortvorteil.
Pfarrer Müller berichtete von gespaltenen Lagern in seiner Gemeinde. Es gebe RWE-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Braunkohlegegnerinnen und Braunkohlegegner. „Unsere Aufgabe ist es, die Menschen zusammen und miteinander ins Gespräch zu bringen. Es darf nicht sein, dass man sich über die Andersdenkenden lustig macht.“ Gespräche lautete denn auch das Stichwort für Solbach. „Wir versuchen schon länger, Vertrauen in den Wandel aufzubauen. Neue Ideen wurden immer wieder vorgestellt. Wir hatten eine Wahnsinnsdiskussion im Stadtrat wegen der Erweiterung des Windparks.“
Bemman warb für Regionalstrom als ein Konzept in der Energiewirtschaft. Dieser Strom bestehe aus Ökostrom, der nicht weiter als 50 Kilometer von Köln entfernt produziert werde. „Bisher reichen unsere Anlagen aus für die Nachfrage. Wächst die, geraten wir natürlich unter Druck, die Anlagen für erneuerbare Energien auszuweiten.“ Solbach hatte hierzu zwei Zahlen zur Hand, die manchen überraschten: „In Köln werden zwei Prozent aller Dächer für Photovoltaik genutzt, in Bedburg sind es 20 Prozent.“ Auch Marie-Luise Schaller hatte auch eine Zahl parat: Die Region bekommt in den nächsten Jahren 15 Milliarden Euro Unterstützung, um den Ausstieg aus der Braunkohle abzufedern. 2024 werden die ersten großen Kraftwerksblöcke stillgelegt. Dann sollen erste Arbeitsplätze dank der Förderung entstanden sein. Gerade werden Ideen geprüft. „Wichtig ist“, so Solbach, „dass wir uns nicht in epischen Prozessen verzetteln.“ Der Innovationswille in der Region sei sehr stark.
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Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann/APK
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