Die Freiheit des Wortes: Mit dem „Poetry Walk“ auf den Spuren von Dorothee Sölle
Heute ist der Tag der Pressefreiheit, ein bedeutsamer Tag: Es braucht Pressefreiheit, um Informationen ungefiltert empfangen zu können, seine Meinung äußern zu dürfen und Missstände aufdecken zu können. Dorothee Sölle war nicht nur Theologin und Aktivistin für den Frieden, für Frauen und die Umwelt. Sie schrieb auch Gedichte, bezeichnete sich selbst als „Theopetin“. Sie hat sich zeitlebens für Freiheit und Gerechtigkeit eingesetzt und war davon überzeugt, dass eine freie Presse wichtig für eine lebendige Demokratie ist. Anlässlich ihres 20. Todestages am 27. April hatten Melanchthon-Akademie, das Schulreferat des Kirchenverbandes Köln und Region sowie die Christuskirche einen Dorothee-Sölle-Tag ausgerufen. Zu den unterschiedlichen Aktionen gehörte auch ein Poetry Walk durch Köln, dem sich rund 30 Zuhörende anschlossen. Er startete an der Antoniterkirche, wo Sölle ab 1968 die Politischen Nachtgebete mitverantwortete, und führte zur Christuskirche, die am Dorothee-Sölle-Platz liegt.
Vorgetragen werden konnten die Gedichte mit freundlicher Genehmigung des Wolfgang Fietkau Verlags. Rezitiert wurden sie von Dorothee Sölles Sohn Martin Sölle, von Bischöfin a.D. Bärbel Wartenberg-Potter und von Pfarrerin Dorothee Schaper, Frauenbeauftragte im Kirchenverband und Dozentin an der Melanchthon-Akademie. Zu den ersten Stationen gehörte das Käthe-Kollwitz-Museum am Neumarkt. Eine logische Entscheidung, wie Pfarrerin Schaper meint: „Sölle und Kollwitz traten für die Emanzipation der Frauen ein, waren engagierte Friedensfrauen. Das eint sie.“ Und so las Schaper „Die Emanzipation der Frauen“, in der eine weibliche Stimme artikuliert, was sie eben nicht will: Herrschen, erobern, sich nur um die Kinder kümmern oder aufgrund von Leistungsdruck emotional verarmen. Vielleicht heute nicht mehr zur Gänze zeitgemäß, aber von Schaper in seiner Entstehungszeit Mitte der 1970er Jahre verortet, voller Sprengkraft und Provokation.
Wenige Meter weiter findet sich die Buchhandlung C. Roemke & Cie., wo Dorothee Sölles Bücher verkauft wurden, und die den Bogen zu Martin Sölle, selbst Buchhändler, schlug. Auch hier wurden Verse vorgetragen, auch hier schauten Passantinnen und Passanten, was passiert, nahmen sich aber bedauerlicherweise nicht die Zeit stehenzubleiben, um das Gedicht „Ohne zu lügen“ zu hören. Sie hätten sonst Sölles flehentliche Bitte an Gott gerichtet gehört, einen neuen Geist und ein neues Herz erhalten zu dürfen.
Ein Spaziergang voller Poesie, feiner Beobachtungen und voller Vertrauen auf Gott
Die Ehrenstraße erlebte anschließend Lyrik. Als Einkaufsstraße beliebt, setzte Dorothee Schaper sie in Zusammenhang mit Sölles Gedicht „Magnolien am Broadway“ – und Christoph Rollbühler, Pfarrer der Christuskirche illustrierte fleißig fegend die Zeilen aus „Der Besen“, eine Liebeserklärung an die Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen.
Auf einer Trittleiter stehend, sprach Dorothee Schaper dann am Friesenplatz die „Jakobsleiter“ – und sagt dazu: „Wir wollten die Menschen darauf aufmerksam machen, dass hier etwas geschieht, wollten Sölles Worte in die Nachbarschaft tragen.“ Die Zeile mit den tönenden Farben rief die Pfarrerin laut heraus. Weiter ging es zum Jugendzentrum „Anyway“, das Raum gibt für junge Lesben, Schwule, Bi, Trans*, Inter* und Queers, wo es um den „Alltag einer Ehe“ ging und dann zum Dorothee-Sölle-Platz. Unter einem Baum stehend las Pfarrerin Bärbel Wartenberg-Potter „Vom Baum lernen“ und erinnerte so daran, dass Dorothee Sölle sich auch immer wieder für den Schutz der Umwelt einsetzte. Pfarrer Rollbühler trug währendessen „Minderheiten“ vortrug und verlieh Sölles Zeilen zu Menschen ohne Lobby und zu Fremdenfeindlichkeit eine Stimme.
Der Poetry Walk endete in der Christuskirche, wo zum Schluss „Sieben Wünsche für eine Konfirmandin“ in den Raum hinein hallten.
Es war ein beeindruckender Spaziergang voller Poesie, feiner Beobachtungen, voller Vertrauen auf Gott – aber auch in dem Bewusstsein, ein eigenverantwortlicher Mensch zu sein. Der Spaziergang bewies, wie viele Facetten die „Theopoetin“ Dorothee Sölle hatte.
Text: Katja Pohl/APK
Foto(s): Matthias Pohl
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