Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Köln-Junkersdorf: Pfarrerin Regina Doffing entpflichtet

Zahlreiche Mitglieder der Evangelischen Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde Junkersdorf haben Ende August Pfarrerin Regina Doffing in einem Gottesdienst in den Ruhestand verabschiedet. Dicht besetzt waren selbst die „Stehplätze“ und einige Treppenstufen zur Empore der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche. Zudem verfolgten zahlreiche Besucher bei wunderbarem Spätsommerwetter im Außenbereich die Übertragung per Lautsprecher. Dort lief parallel die Vorbereitung der anschließenden Feier mit Grußworten, Musik, Spielen und einem Eiswagen.

Würdigung

Die wenig überraschend hohe Zahl an Menschen aus allen Generationen lässt sich durch die Dauer, den Umfang und die Inhalte von Doffings engagiertem Wirken erklären, ebenso wie durch die große Wertschätzung gegenüber ihrer Seelsorgerin. Über drei Jahrzehnte versah sie ihren Dienst im Kölner Westen. In ihrer Predigt ging sie auf Besonderheiten in Kirche und Gemeinde sowie auf Fügungen durch den Heiligen Geist ein. Sie verdeutlichte, wie sehr sie die Beschäftigung mit Dietrich Bonhoeffer gleichzeitig als Aufgabe und Herausforderung verstanden hat und führte aus, wie ungemein wichtig ihr der christlich-jüdische Dialog ist.

Bevor Superintendent Markus Zimmermann seine Kollegin offiziell von ihrem Gemeindedienst entpflichtete, würdigte er ihr vielfältiges Tun und charakterisierte sie als Ermöglicherin. „Du hast diese Gemeinde geliebt, so hast du es zum Ausdruck gebracht. Und so wird es auch heute deutlich. An den vielen, die hier sitzen, und den vielen, die noch draußen stehen und dir zeigen wollen, wie sehr du ihnen am Herzen liegst.“

Ein besonderer Gottesdienst

Sie habe diese Verabschiedung „ganz klein“ halten wollen, so Doffing. „Aber es ist mir nicht ganz gelungen. Das ist ja mehr als an Weihnachten“, begrüßte sie zu einem besonderen Gottesdienst „für mich und für die Gemeinde“. In diesem gesellten sich zum angemessenen Ernst und zur verständlichen Emotionalität auch Humor, Fröhlichkeit und Zuversicht, ganz nach dem Motto „Ich bin vergnügt, erlöst, befreit“ – so der Titel eines Psalmgedichts von Hanns Dieter Hüsch. Ihre Lieblingsbibelverse, stellte Doffing voran, sollten durch den Gottesdienst führen.

„Aber Jesus sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes“, zitierte sie Matthäus 19,14 – und bat Mädchen und Jungen der Evangelischen Kita Junkersdorf nach vorne. Diese dankten ihr mit einer umgedichteten Version der „Vogelhochzeit“. In zwölf Strophen zeichneten sie das Bild einer zugewandten, sich kümmernden Pfarrerin: „Frau Doffing feiert Abschied heut, darum sind hier so viele Leut…“, sangen sie mit den Kita-Mitarbeiterinnen. Und: „Sie ist die Chefin hier im Haus, das weiß die kleinste Kirchenmaus…“ – „Die Kitakinder kennen sie als Pfarrerin mit viel Esprit“ – „Die Gemeinde ist ihr Herzensstück, das ist für uns ein großes Glück!“ – „Ob privat oder im Talar, sie ist für alle Schäfchen da.“ Als sichtbares Geschenk überreichte die Kita eine mit guten Wünschen behangene Lagerstroemia. „Sie blüht jedes Jahr zu deinem Geburtstag, damit du an uns denkst.“ Doffing zeigte sich beeindruckt: „Zwölf Strophen, das haut einen ja um.“

Musikalische Beiträge und ökumenische Verbundenheit

Musik steuerten auch der Gospelchor der Gemeinde und die Indonesische PERKI Gemeinde Köln bei. Letztere feiert einmal im Monat Gottesdienst in der evangelischen Kirche. Ihre Vertreter wünschten Doffing alles Gute und Gottes Segen für ihren weiteren Lebensweg und sangen „Ditengah ombak“ (Mitten in den Wellen), ein gefühlvolles Lied über das eigentliche Lebensziel Jesus Christus, der „dein Herz kennt“. Es sei schön, hier „in der ökumenischen Weite und Verbundenheit feiern zu können“, reagierte Doffing. „Das war mir immer ein Anliegen.“

„Wie viele wunderbare und lustige Momente hat es hier gegeben“, stellte sie eingangs ihrer Predigt fest, auch bei der immer wiederkehrenden Frage von Post- oder Paketboten, ob „hier“ auch Dietrich Bonhoeffer wohne. Anfangs habe sie gelacht. „Warum sollte neben den vielen Namen, die auf unserem Türschild standen, nicht auch noch Dietrich Bonhoeffer hier wohnen?“ Bei dem hohen Zustellungstempo habe sie auf lange Erklärungen verzichtet. „Ich habe einfach immer öfter geantwortet: Ja, hier wohnt Dietrich Bonhoeffer, und das Päckchen angenommen.“

Namensgebung der Kirche

Zur Einweihung dieser Kirche 1965 sei es keine Selbstverständlichkeit gewesen, sie nach ihm zu benennen. Ursprünglich habe das Presbyterium der damals zuständigen Gemeinde Weiden den Namen Heilig-Geist-Kirche vorgesehen. Dann habe der junge Pfarrer den Theologen und Widerstandskämpfer vorgeschlagen. „Es waren ja noch nicht viele, denen wir nach dem Krieg folgen konnten.“ Nach der ersten und weiteren Ablehnungen des Presbyteriums hätten die Junkersdorfer ihren Antrag immer wieder auf die Tagesordnung gestellt. Schließlich habe die Gemeindeleitung entschieden: „Sollen sie doch machen, was sie wollen, die Junkersdorfer. Liebe Gemeinde“, betonte Doffing: „Hier wohnt Dietrich Bonhoeffer.“

Das sei für sie als Pfarrerin von Anfang an eine Aufgabe und Herausforderung gewesen. „Dieser habe ich mich verpflichtet gefühlt in all den Jahren. Sein Denken und Handeln war mir aber nicht nur Verpflichtung, sondern auch Freude. Ich habe viel von Dietrich Bonhoeffer lernen können, schöne Dinge erfahren und erlebt.“ Ebenso hätten viele Generationen von Konfirmandinnen und Konfirmanden sich mit Bonhoeffer beschäftigt. „Sie mussten von ihm lernen, dass es auch möglich ist, Widerstand zu leisten, wenn nötig. Sie mussten lernen, dass es manchmal sein muss, sich nicht der Mehrheit anzuschließen, sondern dagegenzuhalten, sich nicht einfach wegzuducken. Sich auch heute wieder, leider, gegen Antisemitismus zu stellen und mutig für andere einzutreten.“

Theologische Einsichten und Kritik

Bonhoeffers Mahnungen und Aufrufe hätten aber auch einen ganz besonderen theologischen Hintergrund und etwas mit unserem eigenen Glauben zu tun. Auch jeder Nicht-Christ könne sich gegen Antisemitismus wenden. „Aber Bonhoeffer schreibt man den Satz zu: ´Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen.´ Oder mit meinen Worten: Wie kann ich sonntags hier Kirchenlieder singen und mich im Alltag dem Mob anschließen und Synagogen verbrennen.“ Nach den Novemberpogromen 1938 sei ein öffentlicher Protest ausgeblieben. „Die Kirche blieb bis auf einzelne Stimmen stumm. Der gregorianische Gesang, also unser christlicher Gesang, wurde einfach fortgesetzt. Der Schrei für die Juden war kaum zu hören.“

„Ich weiß, dass Dietrich Bonhoeffer vielleicht eher eine Ausnahmepersönlichkeit war. Aber er hat ganz klar gemacht, wenn ich diesem Jesus von Nazareth, der selbst Jude war, nachfolge (…), dann kann ich mich nicht als Christ dem Judenhass, der Verfolgung, anschließen. Mehr noch: Wenn ich Jesus von Nazareth als den Sohn Gottes anerkenne, dann kann ich Antijudaismus und Antisemitismus nicht dulden. Dieser wendet sich direkt gegen unseren eigenen Herrn.“

„Ich bin erlöst, liebe Gemeinde“, leitete Doffing zu ihrem einst ausgesuchten Konfirmationsspruch über: „Jesus Christus spricht, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Dieser Vers aus dem Johannesevangelium habe sie ihr ganzes Leben begleitet. Damals sei es ihr als junges Mädchen vor allem wichtig gewesen, durch die biblischen Erzählungen von Gott erfahren zu haben, dazugehören zu dürfen. „Ich durfte mich geborgen und angenommen fühlen im Glauben an Gott.“ Dann hätten ihr dieser Vers und seine Auslegung aber auch eine Anfechtung gegeben. „Wieso sollte der Weg nur über Jesus gehen? Waren die Jüdinnen und Juden nicht schon längst bei Gott, als wir im hessischen Bergland noch Eichen anbeteten?“, fragte die gebürtige Gießenerin.

„Immer wieder wurde mein Konfirmationsspruch ja auch gegen Jüdinnen und Juden ausgelegt: Wenn ihr den Weg nicht geht, gehört ihr nicht dazu. Der richtige und ausschließliche Weg sei der über Jesus Christus und somit nicht der des jüdischen Volkes“, kritisierte sie die noch heute praktizierte christliche Missionierung unter Juden. „Mein Studium, besonders meine Zeit in Jerusalem, haben mir viel Einblick in das Judentum und seine Glaubenspraxis gegeben“, erklärte die Pfarrerin. „Ich brauche mich nicht negativ abzugrenzen, wenn ich zu diesem Gott dazugehören will. Ich kann mich freuen, dass ich an diesem reichen Schatz an Erzählungen und Erfahrungen, die Menschen mit Gott gemacht haben, teilhaben darf.“

Besonderheiten der Kirche und persönliche Erinnerung

Neben der Namensgebung der Kirche wies Doffing mit dem künstlerisch umgesetzten wandernden Gottesvolk an der Altarwand auf eine zweite Besonderheit hin. In den drei Jahrzehnten sei ihr immer wieder deutlich geworden, welch ein Wunder es sei, dass dieses Wandbild hier hänge. „Wir werden immer wieder erinnert: Gott ist treu. Auf ihn können wir uns verlassen, wie schwer es auch sein mag.

Gegen allen Anschein, Gott lässt sein Volk, lässt uns nicht im Stich.“ Welch eine wunderbare Wirkung des Heiligen Geistes, stellte Doffing fest. Denn geplant gewesen sei das alles ganz anders. „Jetzt haben wir eine Dietrich-Bonhoeffer-Kirche, und wo ein Abendmahlsbild habe hängen sollen, das wandernde Gottesvolk.“

„Im Lauf der Jahrzehnte waren in dieser Kirche auch immer wieder Jüdinnen und Juden zu Gast“, so Doffing. Besonders gelernt habe sie von Erwin Schild. Geboren im rechtsrheinischen Mülheim, habe er „gerade noch so den Holocaust überlebt und dann viele Jahre als Rabbiner in Toronto gewirkt“. Doffing bezeichnete ihn als Brückenbauer zwischen damals und heute, zwischen dem jüdischen Volk und den Christen. Bei seinen häufigen Besuchen in Köln und in unserer Kirche „hat er vielen Menschen die Hand gegeben, damit Versöhnung möglich ist. Damit wir miteinander und voneinander lernen.“

Schild habe versucht, Jugendliche zu sensibilisieren. Anhand seiner Geschichte habe er sie darauf aufmerksam gemacht, welche Gefahren um uns herum lauerten. „In seiner liebevollen Weise hat er viele Menschen hier begeistert und Versöhnung möglich gemacht“, so Doffing. „Oder, um mit Josef aus dem ersten Buch Mose zu sagen: ´Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.´“ Das sei wirklich einer ihrer Lieblingsverse, „weil ich das oft in meinem Leben erfahren durfte“. Oder, verwies die Pfarrerin auf das zuvor gesprochene Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer, „ein Gott, der aus dem Bösesten auch Gutes entstehen lassen kann.“

Abschied und Ausblick auf die Zukunft

„So, ich bin befreit“, stellte Doffing fest. Befreit, weil sie zuversichtlich sei, dass dieser Geist Gottes auch weiterhin in unserer Kirche wirken werde. Befreit, „weil ich weiß: Gerade in den vielen Herausforderungen, denen wir uns ausgesetzt sehen, die wir irgendwie bewältigen müssen, da wirkt Gottes Geist“. Angesichts wachsender gesellschaftspolitischer Probleme in unserer Welt wisse man gar nicht, wo man anpacken solle. „Ohne Hilfe schaffen wir das gar nicht“, erinnerte die Predigerin an ein von Konfirmandinnen formuliertes Glaubensbekenntnis. Darin heiße es: „Der Heilige Geist gibt mir Kraft, jeden Morgen aufzustehen.“ Ja, diese Kraft bräuchten wir jeden Tag neu, so die Pfarrerin. „Gott lässt mich nicht allein. Auch wenn es manchmal lange dauert, bis man etwas spürt.“ Er begleite uns. „Mit dieser Kraft werden wir dann auch die Reformen schaffen, die noch vor uns liegen hier in der Kirche, in der Gemeinde.“

„Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“, zitierte sie einen weiteren ihrer Lieblingsverse. „Ich bin frei, habe ich gesagt. Aber Freiheit gehört zur DNA unserer Kirche.“ Wir müssten uns immer wieder neu reformieren oder, mit Luther, neu dem Volk aufs Maul schauen. „Damit wir wissen, was die Menschen brauchen, was wichtig ist jetzt und hier.“ Sie sei aber auch befreit, weil sie wisse, dass sie sich auf Gottes Wirken verlassen könne.

„Hier ist jetzt Zeit für Veränderung. Bei mir und in der Gemeinde“, konstatierte die Pfarrerin. Sie freut sich, dass ab Oktober mit Judith Schaefer eine junge Kollegin den Dienst hier offiziell übernehmen wird. „Sie wird einfach weitermachen“, wünscht sich Doffing, dass die Gemeinde Schaefer die Chance eröffne, „viel Neues auszuprobieren und Ideen umzusetzen“. Und Doffing selbst? „Für mich heißt es jetzt: Ich bin vergnügt, erlöst, befreit. Und ich bin gespannt, was das Leben für neue Aufgaben bereithält.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich

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