Eine Stoffinstallation für die Erlöserkirche: Kreativ werden beim Kirchbautag-Workshop

Kunst wahrnehmen und selbst, gemeinsam mit anderen, kreativ werden, Information und Austausch, Theorie und Praxis – all das erlebten Teilnehmende des Workshops „Textile Utopien – Paramente für Weidenpesch: Experimentelle Arbeit der Werkstatt Darmstadt“. Durchgeführt wurde er im Rahmen des 30. Evangelischen Kirchbautags im neuen Erlöserkirchen-Zentrum der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Mauenheim-Weidenpesch. Offiziell eingeweiht wird die Erlöserkirche am 26. November 2022, am Samstag vor dem 1. Advent, mit einem Gottesdienst unter anderem mit Präses Thorsten Latzel.

Baukirchmeister Johannes Feyrer zeigte sich froh, dass man schon zum Besuch einer Kirchbautag-Gruppe am Vortag den Kirchplatz und Kirchraum in einem guten Zustand habe präsentieren können. Zwei Tage zuvor hätten noch 32 Handwerkerinnen und Handwerker aus sechs Gewerken hier intensiv gearbeitet. Um die Fassadenverklinkerung abzuschließen, sei sogar eine Nachtschicht eingelegt worden.

Beziehung von Textilien zum Raum

Im Kirchraum der vom Büro Harris + Kurrle Architekten in Stuttgart entworfenen „Hauskirche 3.0“ informierten die drei Workshop-Leiterinnen Claudia Breinl, langjährige Mitarbeiterin am Institut für Kirchenbau in Marburg, Künstlerin Gabriele Wilpers und Paramentikerin Marie-Luise Frey zunächst in einem historischen Teil über den Gebrauch von Tapisserien in Geschichte und Gegenwart. Sie sprachen über textile Kunst auch im Kirchenraum. Und erläutern beispielhaft die Beziehung von Textilien zum Raum, deren erzählerische und partizipativen Möglichkeiten.

Vorgestellt und diskutiert wurde das von Wilpers für die Erlöserkirche entworfene Parament mit dem Namen „Aurora“ (Morgenröte). Dieses „Kleid Gottes“ wird die Kanzel im Advent schmücken. Das im Grundton Violett erscheinende und mit Rosa- und Gold-Tönen ergänzte „Aurora“-Parament hat Frey gestaltet. Sie ist seit 2004 Leiterin der Textilwerkstatt am Elisabethenstift gGmbH in Darmstadt. Wilpers hat nicht nur dieses und ein weiteres Parament für die neue Kirche entworfen. Zudem ist sie verantwortlich für die künstlerische Gestaltung der Prinzipalstücke sowie des sehr besonderen Fensters zur Derfflinger Straße. Darin hat sie unter anderem die von Herbert Schuffenhauer zum Schöpfungs-Thema entworfenen sieben Medaillon-Fenster des Vorgängerbaus integriert.

„Es sieht aus wie fließendes Metall“

Zum Kirchbautag, also temporär, hatte Frey eine silberne Stoffinstallation inszeniert, die aus dem Glockenturm in den Kirchraum führte. Ihre Idee dazu sei mit dem Raum gewachsen, so die Künstlerin. „Es sieht aus wie fließendes Metall“, beschrieb ein Teilnehmer und nahm sogleich einen Zwischenruf auf. „Ja, wie fließendes Quecksilber.“ Man nehme jedes Ding farblich, materiell und in Beziehung zum Raum her wahr, erläuterte Frey. Durch entsprechende Eingriffe und deren Wirkungen könne man auch Räume besser beurteilen. Und diese Arbeit mache deutlich, wie schön der Kirchraum der Erlöserkirche sei.

Im zweiten Workshop-Teil widmeten sich die Teilnehmenden der Praxis. „Wir entwerfen ein Parament für Pfingsten“, schickte Wilpers voraus. Und verdeutlichte anhand von Dias, welche Bedeutung die mit dem Kirchenfest verbundene Farbe Rot besitzt. „Warum finden wir Rot so spannend?“, beantwortete sie ihre Frage: „Unsere frühen Vorfahren kannten Feuer, Blut, Fleisch, auf- und untergehende Sonne. Diese vier Teile haben den Menschen befähigt zu überleben.“

Viele Künstler hätten sich angezogen gefühlt von Schlachthäusern, zeigte sie ein Werk des Malers Lovis Corinth. Der im April verstorbene Maler und Aktionskünstler Hermann Nitsch habe ursprünglich sogar mit Blut von Schlachtungen gearbeitet. Man tauschte sich darüber aus, dass Rot unter anderem mit Vitalität und Sünde assoziiert werde; dass Rot in allen Kulturen „die eigentliche Farbe“ bilde, mittelalterliche Henker rot gekleidet waren ebenso wie die Mitglieder des heutigen Bundesverfassungsgerichts. Eine Teilnehmerin informierte, dass Rot die ursprüngliche Bezeichnung für Farbe gewesen sei. „Die Zäpfchen im Auge konnten zunächst nur Rot wahrnehmen und im Laufe der Evolution kam die Wahrnehmung anderer Farben hinzu.“

Herzen, Farben, Papiere, Folien

Dass es bei der kreativen Umsetzung des ausgerufenen Themas Pfingsten nicht bei textilen Ergebnissen bleiben musste, war an den zahlreichen, rot dominierten Arbeitsmaterialien zu erkennen, die neben diversen roten Stoffen auf den Tischen bereitlagen: Herzen, Farben, Papiere, Folien, Geschenkbändern, Netzstrukturen und anderes mehr. Verwendet werden konnten ebenso Ziegel, weitere Steine und Bauelemente der niederlegten Erlöserkirche. In entspannter Atmosphäre entwickelten sich so einige Gemeinschaftsprojekte. Ein rechteckiger Rahmen wurde mit einer Vielzahl an Stoffen drapiert – mit einem kleinen Herz im Zentrum, das die Elemente mit Energie „versorgt“.

Für die Kanzel wurde ein alternatives, humorvolles Werk gefertigt. Es rief mit seinen mit weißen Kreuzen beklebten rote Herzballons und in den Raum „fließenden“ langen Geschenkbändern karnevalistische Assoziationen hervor. Gebrochen wurde diese geistige Verbindung durch originale Abbruchsteine der ersten Erlöserkirche. „Ohne Steine wäre das viel zu süß“, erklärte Wilpers. Ein Teilnehmer sprach angesichts der Anordnung, die auch am Boden Kreuze beinhaltete, die Handwerker gemeinhin zum Trennen von Fliesen verwenden, von Wärme, Leidenschaft und Vitalität, die in Gemeinde hinunter flössen, um sie zu erwärmen.

„Das ist ja eine echt kreative Gruppe“

Schließlich präsentierte sich sogar der Flügel im Kirchraum in „pfingstlicher“ Verfassung. Bearbeitet hatte ihn Thomas Erne. Der Professor für Praktische Theologie an der Uni Marburg war bis zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand am Ende des letzten Wintersemesters auch langjähriger Direktor des dortigen Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart. Unter der geschlossenen Klavierabdeckung ließ er rote Stoffe feurigen Zungen gleich hervorlugen. Auf ihr war die Leichtigkeit roter Herzballons zu empfinden – die Schwere des Instruments kontrastierend. Breinl, die mit dem Verlauf der Veranstaltung sehr glücklich war, kommentierte: Man müsse ja nicht alles erklären. Weil nicht alles aufzulösen sei, könne die Spannung bewahrt bleiben.

„Das ist ja eine echt kreative Gruppe“, würdigte Susanne Zimmermann, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Mauenheim-Weidenpesch, die unterschiedlichen Resultate des „Paramente“-Workshops. Zimmermann hatte mit der Ärztin, Psychotherapeutin und Presbyterin Doris Ritter in anderen Räumen des Erlöserkirchen-Zentrums zeitgleich den Kirchbautag-Workshop „Kirche neu denken – Wandel mutig im Team gestalten“ durchgeführt. Darin wurden „Ansätze partizipatorischen Bauens und Umbauens“ vorgestellt. Und anhand exemplarischer Techniken und Übungen vermittelt, wie ein Ziel mit verschiedenen Methoden angegangen werden und wie Veränderung in verschiedenen Bereichen beginnen kann.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich

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