FrauenReden zu Tisch: „Frauen im Stadtbild sichtbar machen!“

Frauengeschichte lautete das diesjährige Thema der FrauenReden zu Tisch anlässlich des Reformationstages. Der Theologinnenkonvent des Kirchenkreises Köln-Nord hatte mit der gastgebenden Evangelischen Kirchengemeinde Bickendorf zum Frauenmahl in die Auferstehungskirche in Köln-Bocklemünd eingeladen. Und der Samstagvormittag bot neben reichlich Information überzeugende Darstellerinnen, einfühlsame musikalische Beiträge von Tanja Heesen-Nauroth am Flügel sowie leckere Kartoffel- und Kürbissuppe. „Sie sind heute hier zu einem besonderen historischen Ereignis: Erleben Sie ein Stück Frauengeschichte und treffen neun der 18 bedeutenden Frauen, die die Ehre bekommen haben, auf dem Rathausturm zu Köln stehen zu dürfen“, begrüßte Pfarrerin Susanne Zimmermann gut sechzig Teilnehmerinnen und Mitwirkende.

Heute seien diese bewegenden und bewegten Frauen extra für uns vom Rathausturm gestiegen. Zu verdanken sei das Irene Franken, einer hochengagierten Historikerin mit Spürsinn und Beharrungsvermögen. Als (Mit)Begründerin 1986 des Kölner Frauengeschichtsvereins e. V. habe sie mit dafür gesorgt, dass nicht nur die vorgesehenen fünf, sondern 18 Frauen in das 124 Persönlichkeiten umfassende Figurenprogramm des Turms aufgenommen worden seien. Frankens Lebensthema sei, Frauengeschichte sichtbar zu machen, nannte sie die Publizistin ein „wandelndes Geschichtsbuch voller Frauengeschichten“.

„Frauen auf den Turm! Frauen im Stadtbild sichtbar machen“

Einführend gewährte Franken in ihrem längeren Vortrag „Frauen auf den Turm! Frauen im Stadtbild sichtbar machen“ Einblick in ihre Arbeitweise und das Wirken des Frauengeschichtsvereins. Franken, ausgezeichnet mit der Alternativen Ehrenbürgerschaft in Köln, informierte über vielfältige Aktivitäten und Strategien. Früh sei sie durch einen Leserinnenhinweis auf einen ihrer Zeitschriftenartikel auf die Idee gebracht worden, mit einer Pädagogin Stadtrundgänge zur Geschichte der Frauen in Köln anzubieten. „Wir wollten eine alternative Vermittlung und möglichst viele Frauen erreichen, haben anfangs auch nur Frauen mitgenommen.“

Auch ging Franken auf ablehnende wie zustimmende Reaktionen von privater, politischer und gesellschaftlicher Seite auf Aktionen, Projekte und Forderungen ein. So kritisierte sie die stiefmütterliche Behandlung von Frauen in Vergangenheit und (selbst noch) Gegenwart, was Straßennamen, Denkmäler, Gedenktafeln, Brunnen betrifft. Entsprechend widmete sie sich dem Thema der Um- und Neubenennung von Straßen. Beispielsweise seien auf Antrag des Frauengeschichtsvereins 1986 die Kölner Altstadt-Gassen „Unter Seidmacher“ und „Seidmachergässchen“ in „Seidmacherinnengässchen“ umbenannt worden. „Wir wollten darauf hinweisen, dass es in Köln Frauenzünfte gab.“

Zahl der nach Frauen benannten Straßen von drei auf zehn bis elf Prozent gestiegen

Dass es gemeinsam mit der Ratspartei Die Grünen gelungen sei, im modernisierten Rheinauhafen sechs Wege nach Frauen benennen zu lassen, bezeichnete Franken als größten Erfolg in den 1980/90er Jahren. Lange seien Straßennamen ein Faktor gewesen, wie der öffentliche Raum vereinnahmt werde. Umbenennungen seien schwierig, weil Straßenschilder eine Orientierungsfunktion hätten. Insgesamt sei in Köln in den letzten Jahren die Zahl der nach Frauen benannten Straßen von drei auf zehn bis elf Prozent gestiegen.

Derzeit entwickle man einen digitalen Frauenstadtplan. Das vom Frauenamt finanzierte Angebot solle es ermöglichen, individuell die Geschichte der Frauen in Köln als Stadtrundgang abzugehen. Weiter werde aktuell eine Handy-APP vorbereitet, „die zu dreißig Orten jüdischer Frauengeschichte in Köln“ führe. Mitgewirkt habe der Frauengeschichtsverein auch an der „Audiotour Via Culturalis“, die an Höhepunkte Kölner Stadtgeschichte erinnere. Unverändert laute das Ziel des Vereins, „dass wir Frauen über ihre eigene Geschichte etwas vermitteln wollen“. „Ich denke, es ist uns in den letzten vierzig Jahren gelungen, die Kölner Geschichte etwas weiblicher zu machen“, schloss Franken.

Kaiserin Agrippina die Jüngere

Wie angekündigt „stiegen“ nach dem leckeren Mahl neun der 18 Frauengestalten vom Turm „hinunter“ und erzählten im Gespräch mit Franken aus ihrem Leben. Dabei wurden die historischen Persönlichkeiten von acht Mitgliedern des veranstaltenden Theologinnenkonvents verkörpert. Lebendig, überzeugend, in einem erfrischenden, teilweise launigen Stil zeichneten sie sehr informative Porträts. Ronja Voldrich verkörperte Kaiserin Agrippina die Jüngere (15/16 – 59). „Ich bin hier die älteste von uns allen und bin hier in Köln geboren. Da hieß die Stadt noch gar nicht Köln. Ich habe eine bewegte Geschichte hinter mir.“ Sie bezeichnete sich als sehr zielstrebige und machtbewusste Frau und Mutter. „Für die Familie habe ich sehr viel getan. Manchmal muss man auch unbequeme und vielleicht auch nicht ganz legale Wege gehen.“

Kaiserin Theophanu

Christina Schlarp trat als Kaiserin Theophanu (ca. 955 – 991) auf. „Ich wurde im Jahr 972 verheiratet mit Otto II. Ich war sozusagen das Bindeglied zwischen ost- und westgotischem Reich und eine sehr einflussreiche Frau.“ Sie bestätigte Frankens Feststellung, dass sie Künstler nach Köln gebracht habe. „Ja, natürlich, in dieses tumbe Land hier musste man etwas Kultur bringen.“ Franken attestierte der „Friedenskaiserin“ ein sehr gutes Image. Sigrid Geiger stellte mit Sela Jude (ca. 1180 – nach 1230) die Stifterin des ersten urkundlich belegten Beginenhauses in Köln und sogar in ganz Deutschland dar.

Seidenhändlerin Fygen Lützenkirchen

Susanne Zimmermann trat als Seidenhändlerin Fygen Lützenkirchen (um 1450 – nach 1515) auf. „Ich bin eine der bedeutendsten Unternehmerinnen in Köln gewesen und stand der Frauenzunft der Seidenmacherinnen vor.“ Verheiratet sei sie mit Peter Lützenkirchen. Der bedeutende Handelsvertreter habe Seide aus aller Welt und Europa hergebracht. „Wir hatten beste Bedingungen“, sprach sie von Topbedingungen und einer Monopolstellung. „Sie waren auch sehr geschickt“, ergänzte Franken. Denn den von ihr ausgebildeten Lehrmädchen habe sie verboten, in ihren Heimatorten selbst auszubilden. „Die Töchter mussten immer wieder zu ihnen kommen.“

Postmeisterin und 1627 als Hexe verbrannte Katharina Henot

Melissa Schüller verkörperte die Postmeisterin und 1627 als Hexe verbrannte Katharina Henot. „Ich bin ein Mahnmal, was einer Karrierefrau passieren kann, wenn sie sich zu weit vorwagt.“ Mit ihrer niederländischen Familie nach Köln geflohen, habe sie als Tochter des kaiserlichen Postmeisters das Erbe angetreten. Zunächst habe die Beschuldigung einer einfachen Näherin ihr Leben verändert. „Ich glaube, das war eine Intrige.“ Später sei sie für Fälle von Besessenheit verantwortlich gemacht, angezeigt und hingerichtet worden. „Die Tatsache, dass ich so viel erreicht habe, hat die Neider auf den Plan gerufen.“

Kämpferische Unternehmerin Maria Clementine Martin

Uta Walger verkörperte die säkularisierte Ordensfrau und kämpferische Unternehmerin („Die Klosterfrau“) Maria Clementine Martin (1775 – 1843). „Ich habe gelernt, wie man den Melissengeist macht“, sagte sie. „Ja, man nannte mich auch Schwester Melisse.“ Dass sie mit Anzeigen in einer Zeitung für ihr Duftwasser geworben habe, kommentierte Franken mit der Feststellung, dass sie ein außerordentlich gutes Gespür für Marketing besessen habe. Franken selbst schlüpfte in die Rolle der politischen Aktivistin, Schriftstellerin und Publizistin Mathilde Franziska Anneke (1817 – 1884). Wie kaum eine vor ihr habe die Tochter eines Weinhändlers für Frauenrechte gekämpft. Sie habe die Revolution 1848 mit vorbereitet und habe aufgrund ihrer Beteiligung an der demokratischen Bewegung ins Exil gemusst. Dort, in den USA, habe sie ebenso unter anderem für das Frauenwahlrecht gekämpft.

Frauenrechtlerin Mathilde von Mevissen

Pfarrerin Monika Crohn stellte Mathilde von Mevissen (1848 – 1924) dar. Die Frauenrechtlerin und Bildungspolitikerin war (Mit)Gründerin des ersten Mädchengymnasiums in ganz Preußen. 1903 wurde es in Köln eingeweiht. „Ich bin aus vornehmem, doch bescheidenem Hause, denn Luxus gab es bei uns nicht, Bildung aber auch nicht, so wie sie vielleicht gebraucht hätte. Und deshalb ist das mein Lebensthema geworden, eigentlich aber erst, als ich schon über vierzig Jahre alt war. Nachdem der Vater tot war, war ich nicht mehr zu halten.“ Da sei sie eingestiegen in ihr Thema Mädchen- und Frauenbildung. „Ein gutes, weites Herz für andere“, beschrieb sie ihr Lebensziel. Das habe übereingestimmt mit ihrer verzichtsmäßigen Erziehung. Ein weiteres großes Thema sei ihr die Rolle der unverheirateten Frau gewesen. „Sie hatte ja keinen gesellschaftlichen Platz.“

Schriftstellerin Irmgard Keun

Ebenfalls überzeugend trat Pfarrerin Sabine Petzke als Schriftstellerin Irmgard Keun (1905 – 1982) auf. „Ja, das könnte sein“, entgegnete Petzke auf Frankens Frage, ob sie eine Lebedame sei. „Pelze und ein Glanz sein, dass war für mich sehr, sehr wichtig in meinem Leben im letzten Jahrhundert und auch im Leben meiner Romanfiguren.“ Ihre Romane hätten nicht nur in Deutschland den Nerv der damaligen Zeit getroffen. Bis zum Schluss sei die Welt ihrer Romanfiguren und die eigene Biographie miteinander verschmolzen gewesen. In der Nazizeit sei ihre Literatur verboten worden. „Ich musste ins Exil.“ Ihre Wiederentdeckung 1972 und die Wieder-/Neuauflage ihrer Literatur bezeichnete Keun als völlig überraschend. „Sie alle haben das Recht, auf dem Turm zu stehen und haben das gerade bewiesen“, schloss Franken.

Austausch an den Tischen

Nach der intensiven Interviewrunde tauschten sich die Frauen an den Tischen kurz aus unter anderem darüber, was sie inspiriert hat. Abschließend trugen die Turmfrauen einige Inhalte der Gespräche vor. Dabei wurde betont, dass die Teilnehmerinnen sich beeindruckt von den Leistungen der historischen Persönlichkeiten gezeigt hätten. Auch sie hätten eine Schneise für die Frauenbewegung geschlagen, „davon profitieren wir noch heute“. Der lebendige Vortrag Lust habe gemacht, mehr über sie zu erfahren. Betont wurde, wie wesentlich Bildung auch für Frauen und Mädchen sei. Die Theologinnen ernteten viel Lob für ihre Wahl und Darstellung der Persönlichkeiten. „Das hat einfach gut gepasst“, wurde ihnen attestiert. „Wir haben versucht, die ganze Bandbreite der Frauen auf dem Turm abzudecken“, erläuterte Walger. Man habe geschaut, wer Lust auf welche historische Gestalt habe, welche „mir ans Herz geht“.

Es wurde angeregt, Führungen und entsprechende Informationsveranstaltungen zum Thema auch für Schülerinnen anzubieten, „um sie schon frühzeitig mitzunehmen“. Franken dankte den Turmfrauen für ihre Neugier und Bereitschaft für das Projekt. Auch die Historikerin zeigte sich fasziniert von der Darbietung, die in kurzer Zeit ohne Vortragscharakter sehr viel vermittelt habe. Die Theologinnen und Teilnehmerinnen dankten ihrerseits Franken für ihr jahrzehntelanges großes Engagement. „Sie gehört mit auf den Turm“, würdigte Crohn. Zimmerman kündigte für 2022 zwei Führungen mit Franken für die Frauen im Kirchenkreis Köln-Nord an. Das aktuell wieder angebotene Führungsprogramm des Kölner Frauengeschichtsvereins kann unter www.frauengeschichtsverein.de aufgerufen werden.

Text: Engelbert Broich/APK
Foto(s): Engelbert Broich/APK

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