„Ich gestalte mein Leben in Freiheit“: Anna-Nicole Heinrich zu Gast in Köln

Man liegt sicher nicht falsch, wenn man sagt, dass Anna-Nicole Heinrich eine ungewöhnliche Frau ist. Bundesweit bekannt wurde sie, als sie im vergangenen Jahr im Alter von 25 Jahren zur Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt wurde. Nun war sie zu Gast im Funkhaus Wallrafplatz in der WDR-Reihe „Musik im Dialog“. Im Gespräch mit WDR 5-Moderator Uwe Schulz sprach sie über den Glauben in bewegten Zeiten:

„Wo finde ich Halt? Woran kann ich mich festhalten?“

„Was gibt uns Halt in Zeiten der Unsicherheit?“, fragte Schultz zum Gesprächsauftakt. Heinrich antwortete mit dem Bild einer Slackline, einem zwischen zwei Bäumen oder Haltepunkt gespannten Seil, auf dem man von einem Ende zum anderen balanciert. Zunächst bestätigte sie die Unsicherheit, von der Schulz gesprochen hatte. Es gebe Regionen auf der Welt, in der ultimative Gewalt herrsche. Die Klimakrise sei eine Bedrohung. „Wir erleben Systeme, die nicht mehr tragen. Wo geht es hin? Wo finde ich Halt? Woran kann ich mich festhalten? An der Musik? An Gott? An der Kirche?“ Beim Slacklinen gebe es einen Baum, an dem man sich beim Aufsteigen festhalte, der einem auf den Weg helfe und den man zunächst besser nicht loslasse. Der Gurt sei der Weg. Man fokussiere sich auf das Ziel auf der anderen Seite.

„Ich gehe meistens mit Freundinnen slacklinen. Dann habe ich im Zweifel beim Balancieren noch eine stützende Hand“, sagte die Präses. Die könne Halt in aller Unsicherheit sein auf dem Weg vom Baum bis zum Ziel. „Und wenn ich abstürze, falle ich nicht ins Bodenlose, sondern auf die grüne Wiese.“ Am Ende des Weges stehe das Ziel: im übertragenen Sinne Gott, der einen auffange.

Kirche ohne Traditionsbestände nicht zu denken

Es brauche Mut, den Baum loszulassen, wandte Schulz ein. Es tue gut, mit Menschen unterwegs zu sein, entgegnete Heinrich. „Sich am Baum festklammern, ist kein Weg.“ Und man dürfe den Baum nicht schlecht reden. Kirche sei ohne Traditionsbestände nicht zu denken. „Bäume stehen lange. Manchmal werden sie jahrelang nicht genutzt. Und dann werden sie wieder gebraucht.“ Auf die Moderatorenfrage nach der grünen Wiese erklärte die Präses, sie stehe für die christliche Hoffnung, dass man nicht tiefer fallen könne als in Gottes Hand. „Das ist das Urvertrauen, aus dem ich als Christin schöpfe.“ Das gebe Halt in Unsicherheit ohne totale Sicherheit.

Nicht zuletzt würden viele Beerdigungen unter Bäumen stattfinden. „Das sind Traditionen, die wir immer bedienen. Jesus Christus ist für uns gestorben. Gott ist da, egal, was kommt. Er hat sogar seinen Sohn geopfert. Das gibt mir Halt.“ Heinrich führt auf einem Youtube-Kanal Gespräche mit sechs Menschen, „die mit Kirche überhaupt nix am Hut haben“. Auch dort gehe um Halt in aller Unsicherheit. „Auch Jesus Christus suchte Halt. Die Bibel zeigt nur die heldenhaft Triumphierenden.“ Die Menschen müssten begleitet und dürften nicht instrumentalisiert werden.

„Ich bin auf diese Welt gesetzt worden, um sie lebenswerter zu gestalten. Nicht, um auf die nächste Welt zu warten. Wir brauchen Utopien, um handlungsfähig zu bleiben“, fuhr Heinrichs fort. „Ich gestalte mein Leben in Freiheit. Das ist auch eine große Verantwortung.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann

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