Rund 250.000 Menschen setzten mit Friedensdemonstration durch die Kölner Innenstadt Zeichen gegen Krieg und für Frieden, Demokratie und Freiheit.

„Herr Putin, stoppen Sie den Wahnsinn, stoppen Sie den Krieg!“, wandte sich Christoph Kuckelkorn am Rosenmontag vor Beginn der Demonstration für Frieden in der Ukraine eindringlich Richtung Moskau. Dafür erntete der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval auf dem Chlodwigplatz in der Kölner Südstadt tosende Zustimmung. Kuckelkorn hatte zuvor den zahlreichen dicht gedrängt stehenden Anwesenden gedankt, dass „ihr heute den Weg hierhin gefunden habt“. Darunter befanden sich auch etliche uniformierte Mitglieder der traditionellen Karnevalskorps und -Gesellschaften und Veedelsvereine. Später sollte die Schätzung ergeben, dass insgesamt rund 250.000 Menschen sich am Demonstrationszug durch die Innenstadt beteiligt haben.

So wand sich auf 4,5 Kilometer vom Severinstor bis zur Mohrenstraße ein eindrucksvoller, lauter und bunter Lindwurm, in den sich immer wieder Gruppen und einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer integrierten. Ja, die Veranstaltung war bunt und zuweilen laut, aber eben auch von einem eher bedächtigen, respektvollen Grundton getragen. Denn wie hatte es zu Beginn geheißen: Es handele sich nicht um eine Karnevalsveranstaltung, sondern um eine Friedensdemo.

„Der Kölner Karneval kann mehr als feiern und schunkeln“

Angeführt wurde der Zug von einem kurzfristig realisierten Persiflagewagen. Dieser zeigte eine drastische Darstellung einer von einer russischen Fahne aufgespießt Friedenstaube. Bevor sich der Wagen auf den Weg machte, wurde auf Kommando von Zug- und Demonstrationsleiter Holger Kirsch lebenden weißen (Friedens)Tauben die Freiheit geschenkt. Zuvor hatte Kirsch beklagt, dass unserer Kinder nun erahnen könnten, was Krieg bedeute. „Lasst uns ihnen heute ein Gefühl dafür geben, was Frieden und Demokratie bedeuten“, appellierte er. Viele der jungen wie älteren, kostümierten wie zivil gekleideten Teilnehmenden trugen Zettel bis hin zu Plakaten, Schildern und großen Transparenten, auf denen sie einfallsreich ihre deutliche Meinung über den Krieg und zu Putin äußerten. Die ukrainischen Nationalfarben Blau-Gelb waren immer wieder in Form etwa von Bekleidungen und Fahnen vertreten.

Als in der Nacht auf Weiberfastnacht Russland seinen Angriff auf die Ukraine startete, sagte am selben Tag das Festkomitee das geplante Rosenmontagsfest mit Persiflagewagen im Stadion in Köln-Müngersdorfer ab. Stattdessen wurde die Idee einer Friedensdemonstration geboren. „Der Kölner Karneval kann mehr als feiern und schunkeln. Er lebt vor allem von der Solidarität und der Gemeinschaft, Werte wie Freiheit und Gleichheit sind unser oberstes Gut. Alles hät sing Zick – und jetzt ist es an der Zeit, sich solidarisch mit den Menschen in der Ukraine zu zeigen“, teilte Kuckelkorn vor einigen Tagen mit. Das Festkomitee erhielt auf seinen Aufruf prompt großen, weiten Zuspruch aus der Gesellschaft.

In der Situation des Krieges verbunden

Dem Appell schloss sich auch die Evangelische Kirche in Köln und Region an. „Wir wollen mit diesem Schweigegang in Köln ein Zeichen setzen und deutlich machen, dass wir mit den Bürgerinnen und Bürgern in der Ukraine in dieser außergewöhnlichen Situation des Krieges verbunden sind und an ihrer Seite stehen“, sagte Stadtsuperintendent Bernhard Seiger. Seinem Aufruf nach Beteiligung folgten zahlreiche Mitglieder der Evangelischen Kirche. Und setzten damit ein öffentliches Zeichen gegen Krieg – und für Frieden, Demokratie und Freiheit.

Was kann ich tun angesichts des Überfalls Russland auf seinen Nachbarn Ukraine? Welchen Beitrag kann ich leisten, wenn die Waffen sprechen und brutale Tatsachen schaffen? Wie kann ich helfen – den Menschen, die jetzt mitten im Krieg stecken? Die Gewalt macht mich sprach- und hilflos“, sagt Torsten Krall, stellvertretender Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch und weiter: „Die bunten Truppen auf den Straßen zeigen den Menschen in der Ukraine, dass sie nicht alleine oder vergessen sind. Und sie sind eine Wertschätzung für die, die unter hoher Gefahr in Russland selber für den Frieden demonstrieren. Solange die Waffen nicht schweigen, können wir es auch nicht. Außerdem gibt es noch den besonderen Weg der christlichen Demonstration: das Gebet. Ich kann die Hände in den Schoß legen und meine Wut und meine Hilflosigkeit einem anderen anvertrauen.“

Auf der fast einstündigen Kundgebung vor dem Start des Demonstrationszuges begrüßte Kuckelkorn auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst neben und Oberbürgermeisterin Henriette Reker auf der Bühne. Unsere Gedanken seien bei den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine, sagte Reker. Auch bei den Angehörigen und Familien der Soldatinnen und Soldaten beider Länder. Viele Kölnerinnen und Kölner stammten aus Russland und auch aus der Ukraine. Sie dächten in diesen Stunden besonders an ihre Familien und Bekannten in der alten Heimat. Ihnen versicherte Reker, dass in Köln zu jeder Zeit all jene Menschen willkommen seien, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung fliehen müssten. Der Karneval habe den Kölnerinnen und Kölnern in schweren Zeiten immer Halt gegeben, so die Oberbürgermeisterin. „Wir können heute deutlich machen, wie viel Zuversicht in unserem Karneval steckt.“

Dieser sei für uns eben kein Event wie jeder andere. „Er ist ein Lebensgefühl. Er verbindet Menschen über alle Grenzen hinweg.“ Der Kölner Karneval stehe für freie Meinungsäußerung, gemeinschaftliches Miteinander, Solidarität und Frieden. Reker zeigte sich wirklich froh über das großartige Symbol des Festkomitees, eine Friedensdemonstration als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine abzuhalten. „Ich empfinde grenzenlose Bewunderung für all die mutigen Russinnen und Russen, die bereits seit Freitag auf die Straßen ihres Landes gehen“, sagte Reker. „Wir müssen diesen Menschen, die sich trotz harter Strafen und persönlicher Konsequenzen gegen die Entscheidung ihres Präsidenten aussprechen, beistehen.“ Ebenso dankte sie allen Frauen und Männern in der Ukraine, die einen gewaltlosen Widerstand aufrechterhielten. „Wir hier in Köln werden alles tun, was in unserer Macht steht, um Hass und Gewalt und Diktatur keinen Raum zu geben.“

Köln und Karneval stehen für Menschenwürde und Menschenrechte

Rund 250.000 Menschen namen an der Friedensdemonstration am Rosenmontag 2022 teil

Kuckelkorn betonte, dass viele Menschen in diesen Tagen nur einen großen Wunsch im Herzen trügen: „Frieden für Europa.“ Wenn es darauf ankomme, bilde Köln eine Einheit. „Und das zeigt ihr heute so eindrucksvoll“, dankte der Festkomitee-Präsident. „Wir haben das schon oft hier in Köln bewiesen.“ Terror und Gewalt seien keine kalkulierbaren Mittel zur Lösung von Konflikten, stellte er fest. Vernichtung von Menschenleben sei nicht durch wirtschaftliche Notwendigkeiten zu rechtfertigen. „Wir können und wollen nicht akzeptieren, dass Aggressoren ihre Macht so missbrauchen, dass Menschen für politische Ziele ihr Leben verlieren. Wie schön wäre es, wenn die Menschheit endlich aus ihren Fehlern lernen würde.“ Köln und der Karneval stünden für unverrückbare Werte, für Menschenwürde, Menschenrechte und nicht für Gewalt als Konfliktlösung. „Dafür gehen wir heute auf die Straße, gerade an unserem höchsten kölschen Feiertag, am Rosenmontag.“

Für den deutsch-ukrainischen Verein Blau-Gelbes Kreuz mit Sitz in Köln, der sich um ukrainische Waisenkinder kümmert, sprach Dr. Detlef Bernd Gysan. Der aktuelle Krieg habe ihre Zahl bereits ansteigen lassen. Zwei Ukrainierinnen stellten und trugen die Hymne vor, die seit acht Jahren bei Beerdigungen „unserer Gefallenen“ gesungen werde. Die Band Brings prägte die Kundgebung musikalisch mit „Mir singe Alaaf! (- villeich e betzje stiller)“ und „Liebe gewinnt“. Eingangs hatte Peter Brings erklärt, für ihn gehörten Karneval und Politik selbstverständlich zusammen.

Kuckelkorn zog eine sehr positive Bilanz der Veranstaltung: „Die Kölner und der Karneval haben heute gezeigt, dass alle zusammenstehen, wenn es darauf ankommt. Heute ging es nicht ums ausgelassene Feiern, sondern um lauten und bunten Protest gegen den Krieg in der Ukraine. Es war genau das richtige Signal, den Rosenmontag zu einem Friedensfest zu machen. Ob Gardist oder Lappenclown, ob mit Pappnase oder Pappschild und klarer Botschaft: Heute war ganz Köln ebenso friedlich wie unmissverständlich auf den Beinen.“

Text: Engelbert BroichU/APK
Foto(s): APK/Engelbert Broich

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