Köln stellt sich quer – Zehntausende gehen für Demokratie und gegen Rechts auf die Straße
„Laut werden für die Demokratie“ hieß das Motto der Kundgebung, zu der das „Bündnis Köln stellt sich quer“ aufgerufen hatte – und laut war es, vor allem dank der Trommel-Combo „Samba de Coloñia“, tatsächlich auf dem Heumarkt, von wo aus sich am vergangenen Samstag um 11.55 Uhr ein bunter Zug, quer durch die Kölner Stadtgesellschaft, vom Schulkind bis zur „Oma gegen Rechts“, auf den Weg durch die Innenstadt machte. Auch die Kirchen waren wieder mit dabei.
Statt der angemeldeten 5.000 Teilnehmenden waren es laut polizeilichen Schätzungen etwa 40.000, die ihr „5 vor 12-Gefühl“ angesichts des Rechtsrucks in Politik und Gesellschaft zum Ausdruck bringen wollten. Die Veranstalter selbst gehen von bis zu 75.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus. Dabei brauchten die Teilnehmenden zunächst einmal Geduld, denn rund um den Heumarkt war eher Stehen beziehungsweise Fortbewegung in „Slow motion“ angesagt. Trotzdem war die Stimmung locker und gelöst.
Das elfte Gebot
Der Artikel 1 des Grundgesetzes – „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – wurde als Mahnung auf vielen Schildern zitiert und den bekannten Zehn Geboten fügten die Kölner*innen ein elftes hinzu: „Du sollst nicht gleichgültig sein!“
Ein unterwegs immer wieder anklingendes Gesprächsthema waren die anstehenden Bundestagswahlen: Was soll beziehungsweise kann man wählen? Welche Konsequenzen hätte eine Regierungsbeteiligung der AfD? Offensichtlich hatte auch das bedenkliche Wackeln von Friedrich Merz‘ „Brandmauer“ gegen die AfD die Kölnerinnen und Kölner mobilisiert, denn auf gleich mehreren Transparenten war zu lesen: „Merz ist mitgemeint“.
Gemeinsam für eine bunte Gesellschaft

Von Heumarkt ging es langsam, zum Teil mit Fahrrädern oder vereinzelt sogar im Rollstuhl, über den Neumarkt, die Richmodisstraße, Auf dem Berlich, Zeughausstraße, Magnusstraße, über den Friesenplatz in Richtung Ringe. Aufgrund des großen Andrangs war die Bühne für die Abschlusskundgebung kurzfristig vom Heumarkt auf den Hohenzollernring (Höhe Rudolfplatz) verlegt worden.
Die stellvertretende Superintendentin Miriam Haseleu war begeistert, wie viele Menschen dem Aufruf gefolgt waren, ein Zeichen für Demokratie, Vielfalt, Menschlichkeit und Solidarität zu setzen. „Gemeinsam bauen wir an einer Gesellschaft, die davon lebt, dass sie bunt ist und dass wir als Menschen mit all unserer Verletzlichkeit darin Platz finden. An einer Gesellschaft, in der wir den Frieden suchen“, erklärte sie und betonte: „Wir dulden keine Form von Antisemitismus und Rassismus.“
Haseleu machte deutlich, dass diese Kundgebung auch ein Antidot, ein Gegengift gegen Angst und Ohnmacht sei. Sie zitierte die jüdische Dichterin Mascha Kaléko, die in einem ihrer Gedichte den Appell formuliert: „Jage die Ängste fort/ Und die Angst vor den Ängsten“.
Mut zum Widerspruch, Mut zu Solidarität
Miriam Haseleu räumte ein, dass es bisweilen Mut brauche: Mut zum Widersprechen, Mut, füreinander einzustehen, Mut „unsere Vielfalt zu begrüßen und zu feiern“, Mut zu Toleranz, Respekt und Solidarität.
„Wir sind vielfältig. Das ist gut so! So ist Leben. Divers und bunt und wunderbar. Das ist eine der Grundhaltungen der Evangelischen Kirche in Köln und Region. Als evangelische Kirche freuen wir uns im Zusammenspiel mit Menschen anderer Religionen und Organisationen hier zu sein“, machte sie deutlich. Es gelte Widerstand zu leisten gegen die „Versuchung einfacher Antworten“, zitierte sie die Journalistin und Autorin Duzen Tekkal. Dass so viele Menschen, bereit seien, diesen Widerstand zu leisten, mache ihr Mut.
Fassungslosigkeit und Düsternis überwinden
Brigitta von Bülow verlas das Grußwort des designierten Kölner Schauspielintendanten Kay Voges, der wegen einer Premiere in Wien nicht persönlich anwesend sein konnte. Er verwies auf die gescheiterte Regierungsbildung in Österreich und den Ausgang der Wahlen in den USA und forderte: „Wir dürfen nicht bei Fassungslosigkeit und Düsternis stehenbleiben!“
Der Wahlkölner, Jazzmusiker und Multiinstrumentalist Matthias Schriefl bereicherte die Abschlusskundgebung nicht nur musikalisch, sondern machte den vor der Bühne Versammelten auch eine ganz persönliche Liebeserklärung: „Ohne euch würde ich nicht mehr in Köln wohnen!“ Schriefl mahnte an: „Wir brauchen Glauben, Hoffnung, Liebe!“ und stellte den Protest in einen größeren Zusammenhang. „Wir kämpfen nicht nur für uns“, stellte er fest und erinnerte daran, dass nur 1800 Kilometer von Köln, in der Ukraine, Menschen dafür sterben, in Freiheit und Demokratie leben zu dürfen. „Wir hätten heute keine Demokratie, wenn unsere Vorfahren nicht dafür auf die Straße gegangen wären“, rief Schriefl den Teilnehmenden ins Gedächtnis.
Denjenigen, die sich an diesem trüben und regnerischen Januartag auf den Weg gemacht hatten, brauchte er das wohl nicht mehr zu erklären. Sie hatten verstanden, dass Demokratie Wachsamkeit braucht und engagierte Verteidiger*innen. Und doch: Bei aller Ernsthaftigkeit war auch die kölsche Lebensfreude immer gegenwärtig – bis zum „Finale“ mit Brings und Eko Fresh.
Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke/Sammy Wintersohl
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