Melanchthon-Akademie: Mut zur Schuld? Im Spannungsfeld von Krieg und Frieden

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist eine eminente Herausforderung nicht nur für die Friedenspolitik der Bundesregierung und anderer Staaten, sondern auch für die ethische Positionierung in Gesellschaft und den Kirchen. Müssen Einsichten wie die des „gerechten Friedens“, die sich unter anderem in den Kirchen in den letzten Jahren entwickelt haben, nun aufgegeben oder modifiziert werden? Und: Wie können sich friedens- und sicherheitspolitische Konzepte wie „Sicherheit neu denken“ nach der sogenannten „Zeitenwende“ des Ukraine-Krieges nun justieren und kommunizieren? Bei der Melanchthon-Akademie wird daher am Samstag, 17. September, von 10 bis 16 Uhr die Tagung „Mut zur Schuld? Im Spannungsfeld von Krieg und Frieden“ angeboten.

Eingeladen sind alle interessierten Menschen, insbesondere Interessierte an Fragen zur Friedensethik und -Theologie, zu zukünftigen Strategien der Friedenspolitik und Menschen, die in der Friedensbewegung aktiv sind oder waren.

„Mut zur Schuld“

Schon in den ersten Jahren des 2. Weltkrieges formuliert der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer in seiner Arbeit an der Ethik Gedanken zu einem umfassenden europäischen Schuldbekenntnis. Nach der Shoa hat Bonhoeffers „Mut zur Schuld“ (Wolfgang Huber) Konsequenzen aufgezeigt, die bis heute für das Zusammenleben in Europa, für eine Friedens-Ordnung und -Ethik, für die Ökumene und für die Entstehung der Friedensbewegung prägend geworden sind. Angesichts der gewaltigen Schuld-Verstrickungs-Zusammenhänge, die der Ukraine-Krieg ausgelöst hat, denken wir auf dieser Tagung in theologischen, politischen und medienethischen Zusammenhängen darüber nach, ob ein „Mut zur Schuld“ die Fähigkeit und Kraft zur Überwindung von Spaltungen und Gegensätzen in Europa neu stärken kann.

Geschichte der Kriegsfotografie

Von 11.15 bis 12.15 gibt es den Vortrag „Lichtbilder der Hölle. Menschengemacht. Zur Geschichte der Kriegsfotografie bis in unsere Tage“ von Dr. Karoline Künkler, Dozentin und Autorin für Kunstwissenschaften. „Bilder im Krieg – sie können informieren über das, was geschieht – immer unter dem Vorbehalt möglicher Manipulationen. In vergangenen Kriegen wurden sie häufig für Propaganda eingesetzt“, erklären Pfarrer Dr. Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie, und Joachim Ziefle, stellvertretender Leiter der Melanchthon-Akademie. „Sie können aber auch eine psychologische Wirkung haben: wenn sie es schaffen, zu motivieren.  Diese Motivationswirkung dürfte im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einen kaum zu überschätzenden Effekt haben. Weil, anders als bei früheren Kriegen, diese Bilder millionenfach in Echtzeit über die sozialen Medien verbreitet werden. Und: Sie können als Beweismittel dienen, um Täter gerichtlich zu überführen, die sich Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben.“

„Schuld als Hilfe im Leben entdecken“

Von 13 bis 14 Uhr wird es um „Schuld als Hilfe im Leben entdecken. Eine friedensethische Perspektive“ gehen. „Der Kniefall von Willy Brandt vor dem Warschauer Ghetto ist eine Ikone für diese Haltung: Ein Mensch nimmt stellvertretend für das deutsche Volk mit Leib, Seele und Verstand Verantwortung und Schuld auf sich für die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur. Seitdem war das Diktum ,Nie wieder Krieg!‘ nicht ohne das mitlaufende ,Nie wieder Shoa!‘ zu denken“, so Dr. Martin Bock und Joachim Ziefle. Es habe die europäische Sicherheitspolitik beschäftigt, die Haltung der Grünen im Kosovokrieg – und nun auch die Frage, welche Verantwortung gegenüber dem ukrainischen Volk sich aus den Kriegsverbrechen der Deutschen ergeben. „Das Bekenntnis der Schuld hat in der Vergangenheit Türen der Versöhnung und des Zusammenlebens wiedereröffnet. Was könnte das für die Zukunft Europas bedeuten, was für den friedensethischen Auftrag der Kirchen in Europa?“

Die Tagung wird von der Melanchthon-Akademie, der Evangelischen Stadtakademie Düsseldorf, dem Friedensbildungswerk Köln, der Internationalen Ökumenischen Gemeinschaft, deutsche Region, und der Evangelischen Akademikerschaft, Landesverband Rheinland, veranstaltet. Sie findet live in der Melanchthon-Akademie statt, man kann aber auch per Zoom-Konferenz digital an der Tagung teilnehmen. Das Format hat die Melanchthon-Akademie in den zwei Jahren der Corona-Pandemie ausgiebig erprobt und zu einem gelungenen Konzept entwickelt.

Tagung

Samstag, 17. September 2022, 10 – 16 Uhr, Melanchthon-Akademie, Kartäuserwall 24b | 50678 Köln

Anmeldung

Anmeldung erbeten bis zum 12. September unter anmeldung@melanchthon-akademie.de oder 0221.931803-0. Die Teilnahmegebühren betragen in Präsenz 15 Euro und für die digitale Teilnahme 10 Euro.

Programm

10 Uhr Begrüßung
10 – 11 Uhr Vortrag: Mut zur Schuld, Prof. Dr. mult. Michael Welker, Seniorprofessor für Systematische Theologie, Universität Heidelberg, Geschäftsführender Direktor des Forschungszentrums Internationale und Interdisziplinäre Theologie (FIIT).
11.15 – 12.15 Lichtbilder der Hölle. Menschengemacht. Zur Geschichte der Kriegsfotografie bis in unsere Tage. Dr. Karoline Künkler, Dozentin und Autorin für Kunstwissenschaften, studierte Zeichnerin.
12.15 – 13 Mittagspause
13 – 14 Schuld als Hilfe im Leben entdecken. Eine friedensethische Perspektive. Ulrich Frey, Mitglied des Vorstandes der Martin-Niemöller-Stiftung und des Ökumenischen Instituts für Friedenstheologie.
14 – 14.15 Pause
14.15 – 15.30 Vertiefende Gesprächsrunden mit den Referenten und Referentinnen
15.30 – 15.45 Tagungs-Abschluss

Text: Frauke Komander
Foto(s): Sammy Wintersohl

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